PARISER PARKS: JARDIN ATLANTIQUE

Ein Garten über dem Fernbahnhof: In den Jardin du Luxembourg und die Tuilerien-Gärten strömen alle Paris-Besucher, in den Jardin Atlantique verirrt sich kaum jemand. Vom Montparnasse-Bahnhof starten die Züge Richtung Bretagne und Nantes, nach Bordeaux und Toulouse. Kaum vorstellbar, dass über dem steten Gewusel der Ankommenden und Abreisenden ein großer Dachgarten liegt. Recht versteckt führt neben Gleis 1 eine steile Metalltreppe nach oben. Direkt über den Bahngleisen haben die Landschaftsgärtner Michel Péna und François Brun Mitte der 1990er-Jahre auf einer Betonplatte (»dalle«) eine sehr urbane grüne Oase geschaffen. Der Jardin Atlantique soll einladen, sich wie auf einem Ozeandampfer zu fühlen, mit stegartigen Wegen, Rasenflächen wie Promenadendecks, meerblauen Lavendelfeldern und wie Wellen wogenden Gräsern. Denn von der Gare Montparnasse starten die Züge Richtung Atlantik… Ob auch die merkwürdigen Lampen an Masten erinnern sollen?

Grün im Grau der Großstadt: Umgeben von barriereartigen, monotonen Wohnblöcken des Montparnasse-Viertels, bildet das Ensemble mit fünf Tennisplätzen eine vollkommen artifizielle Enklave. Den unwirklichen Charakter unterstreicht noch das schrille Klingeln zur Abfahrt der Züge, das vom Bahnhof nach oben dringt. Aufgrund der dünnen Erdschicht haben hier Bäume eigentlich keine Chance – doch einige Exemplare haben inzwischen doch eine beachtliche Größe erreicht.  Zudem ist das gesamte Areal, etwa 18 Meter höher als die umliegenden Straßen gelegen, von rund 130 Öffnungen durchzogen, als Entlüftungsschächte und Lichtkuppeln für die darunter liegenden Gleise – und die darüberliegende, ebenfalls noch untergebrachte Parkhausetage. Ein schwierige Situation mit großen technischen Herausforderungen: Die Anlage kostete denn auch das Dreifache einer Parkanlage auf ebener Erde. Heute muss man sagen: Ein nachahmenswerter Prototyp künftiger Grünanlagen. Oder um es mit Stefano Mancuso zu sagen: Wo eine Pflanze überleben kann, sollte auch eine wachsen.

Dachbegrünung: Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren wurden in Paris weitere Gärten »sur dalle« angelegt, der Square du Tchad etwa, im 16. Arrondissement unweit der Serres d’Auteuil gelegen, über einem Supermarkt, Square Duranton (15e) und Square Boucicaut (7e) über Parkhäusern, sowie Square des Cevennes (15e), Square Raoul-Follereau (10e). Als bekanntester dürfte der Jardin des Halles (1er) gelten, einer der neuesten ist der Jardin Marielle Franco (10e) am Gare de l’Est. In letzter Zeit geht der Trend (neben vertikaler Begrünung für mehr Stadtgrün) bei den Dachgärten zu Nutzgärten – teils als Quartiersgärten für Anwohner wie der Jardin Suspendu (20e) auf einer Sporthalle in der Rue des Haies oder als größte urbane Farm Europas der Garten auf einer der Messehallen an der Porte de Versailles (15e), von den Betreibern »Nature Urbaine« in schönstem Frenglisch »rooftop potager« genannt.

Paris Jardin Atlantique

Paris Jardin Atlantique

Paris Jardin Atlantique

 

 

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