PARIS UND DER MÜLL

Kompost & Co: Die überbordenden Mülleimer und Abfalltonnen, Papier- und Plastikcontainer in der französischen Hauptstadt sind kein Indiz für eine schlecht funktionierende Entsorgung. Im Gegenteil: Die Pariser Stadtreinigung kommt häufiger als anderswo zum Einsammeln des Haushaltsmülls, die Müllwerker, Straßenkehrer und Kehrmaschinenfahrer sind im Dauereinsatz. Das Problem: Es ist einfach zu viel, was da täglich entsorgt und weggeworfen wird – der »métabolisme urbain«, der städtische Stoffwechsel ist gestört. Studien zeigen, was der gesunde Menschenverstand auch ohne wissenschaftliche Untersuchungen weiß, nämlich dass der Ressourcenverbrauch umso größer wird, je höher das Einkommen der Menschen ist. In einer reichen Stadt wie Paris wird wenig recycelt oder repariert, und zu viel neu gekauft. Verpackungen machen mehr als ein Drittel aus, Lebensmittelabfälle immerhin 22 Prozent, da in der verdichteten, urbanen Stadtumwelt kaum kompostiert wird, und Papier 13 Prozent. Schon seit einiger Zeit bündelt die Stadt Maßnahmen, um gegenzuwirken, so gibt es unter dem Motto »Déchets, moins c’est mieux« (Weniger Abfall ist besser) seit 2016 einen Kompost-Plan und beispielsweise in Grünanlagen städtische Gemeinschafts-Kompostanlagen. »Le Tri«, also Mülltrennung gibt es schon länger, radikales Ziel ist allerdings »Zéro déchet«. Dazu entwickelte Paris 2017 ein Weißbuch der »Economie circulaire« mit zahlreichen Aktionsfeldern von Tauschbörsen über nachhaltiges Bauen bis zu städtischen Recyclingbetrieben.

Touristen-Muell in Paris

Touristen-Müll: Bei schönem Wetter lassen sich morgens die Hinterlassenschaften bequemer oder rücksichtsloser Paris-Besucher überall besichtigen. Besonders betroffen vom Abfall, den im Sommer feiernde oder picknickende Touristen einfach abstellen oder liegen lassen, sind Montmartre, der Canal Saint-Martin und das Bassin de la Villette, der Pont des Arts, die autofreien Seine-Ufer, Trocadéro und das Champ de Mars am Eiffelturm. Das liegt an den Verpackungen und an der Mentalität: To-Go-Kartons und Styroporschachteln, Plastikbecher, leere Flaschen, Einweggrills… An den meist frequentierten Orten wurden viele zusätzliche Abfallbehälter aufgestellt, die im Sommer noch häufiger als im Winter geleert werden, außerdem Sanisettes (WC-Kabinen) und vor allem Urinoirs, um das Wildpinkeln einzudämmen. Am Wasser, sowohl am Kanal wie bei Paris Plages an der Seine, verteilten freundliche Mitarbeiter der Stadt 7000 Taschenaschenbecher – auch die Zahl der Zigarettenkippen nimmt besorgniserregende Ausmaße an. Nicht nur Berlin plagen Besucher, die sich einfach in Hauseingängen erleichtern, auch für die verärgerten Anwohner am Kanal ist die Schmerzgrenze erreicht. Als Teil der Sauberkeitsoffensive kontrolliert eine neue »Brigade des Incivilités«, um achtlose Müllsünder und disziplinlose Ruhestörer auf frischer Tat zu erwischen. Noch sind die Bußgelder niedrig (um 70 €), obwohl das sogenannte »Littering« Paris Millionen kostet, aber das kann sich schnell ändern.

Paris AntiGaspi: Mit dem Programm »AntiGaspillage«, dem Kampf gegen die Verschwendung, will Paris dem Müll eine Abfuhr erteilen. Die Bürger sind zum aktiven Mitmachen aufgerufen, indem sie nicht nur die Menge des eigenen Haushaltsmülls verringern, sondern beispielsweise auch die Patenschaft für eine Straße übernehmen. Infos und Ansprechpartner gibt es viele, zu den »Eco-Actions« für ein »Paris durable«, für eine nachhaltige Großstadt, zählen nicht nur Konsum, sondern auch Wohnen, Energieverbrauch, gesunde Ernährung, Umgang mit der Natur, Verkehr uva. Die Website https://acteursduparisdurable.fr liefert zahllose Ideen und Anregungen, um individuell etwas beizutragen: installer une ruche (einen Bienenkorb aufstellen), végétaliser sa façade (seine Fassade begrünen), privilégier les produits en vrac (unverpackte Lebensmittel einkaufen), créer un troc (eine Tauschbörse organisieren), s’habiller éthique (fair und nachhaltig produzierte Kleidung tragen), économiser l’eau (Wasser sparen) und noch viel mehr… Auch wenn Appelle oft nicht viel ausrichten, mir gefällt gut, dass der politische Willen zur Veränderung da ist und Paris das so engagiert angeht.

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