PARIS: AUSSTELLUNG ART DÉCO
Architektur im Palais de Chaillot: Nicht nur, weil mich Architektur und Stadtplanung interessieren, ist die Cité de l’Architecture eines meiner Lieblingsmuseen in Paris, sondern weil die Dauerausstellung mit Nachbildungen und Abgüssen der wichtigsten Bauplastik und Wandmalereien Frankreichs aus zwölf Jahrhunderten einen außergewöhnlichen Rundgang durch die französische Architekturgeschichte inszeniert. Nur hier (oder anhand von Fotografien) ist der unmittelbare Vergleich geografisch weit auseinanderliegender Meisterwerke möglich – etwa romanischer oder gotischer Portale und Kapitelle aus Toulouse, Vézelay, Moissac, Saint-Gilles, Arles, Reims, Chartres und Bourges. Mit Hilfe einer geeigneten Patina wurde den Abgüssen der Anschein der originalen Materialien verliehen – rosiger Sandstein bei den Skulpturen des Straßburger Münsters, Marmor für das Grab von François II. und seiner Frau Marguerite in Nantes, Holz für die Türen der Kathedrale von Beauvais. Neben dem baulichen Erbe Frankreichs thematisiert die Cité de l’Architecture als weltweit größtes Architekturzentrum in Wechselausstellungen auch Stadtplanung, Denkmalschutz und Landschaftsarchitektur und widmet sich Themen wie vertikalen Gärten und Ökoarchitektur, Architektur in Graphic Novels, der historischen Bäderarchitektur oder dem Werk herausragender Architekten.
Art Déco: Die aktuelle Ausstellung zum Art Déco widmet sich einem ganzen spezifischen Aspekt: den wechselseitigen Beziehungen zwischen Frankreich und Nordamerika. Die Exponate zeigen (stolz?) den künstlerischen Export in die USA: französische Architekten entwerfen Wolkenkratzer und Kaufhäuser, so beispielsweise Jacques Carlu (1890–1976), von dem das Palais de Chaillot stammt, in dem die Ausstellung stattfindet. Reiche Amerikanerinnen wie Barbara Hutton oder Daisy Dellowes tragen die Mode französischer Couturiers und reisen auf den »paquebots« Ile de France (1926) und Normandie (1935) über den Atlantik. Hunderte von amerikanischen und kanadischen Architekten werden an der Ecole des Beaux-Arts in Paris ausgebildet. Ein Stück weit interessanter als die Exponate, die nur Schlaglichter auf die verschiedenen Gestaltungsbereiche von Wandmalereien über Gebrauchsgegenstände und Mobiliar bis zu Fahrzeugen werfen, sind letztlich die erläuternden Texte in der Ausstellung und im Katalog. Obwohl der Untertitel zur Ausstellung »France // Amérique du Nord« ankündigt, dass es um den künstlerischen Dialog geht, hatte ich erwartet, dass sich das Konzept mehr auf Architektur und Innenarchitektur konzentriert und es mehr um Frankreich geht. Laut Infoblatt zur Ausstellung ist unter den 30 mit Werken vertretenen Künstlern nur eine einzige Frau: Von Anne Carlu (1895–1972) ist das Wandgemälde »Diane chasseresse« zu sehen, entstanden für ein Kaufhaus in New York und eine Leihgabe des »Musée des Années 30« in Boulogne-Billancourt.
Weltausstellung 1925: Seine Hochphase hatte der Art-Déco Stil in den 1920er-Jahren und den Höhepunkt bildet die »Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes« im Jahr 1925 in Paris. Eine mehr als hundertköpfige US-Delegation reiste an, um sich die aktuellen Entwürfe aus Kunstgewerbe und Industriedesign anzuschauen. Insgesamt wurden von Ende April bis Ende Oktober 1925 mehr als 5 Millionen Besucher gezählt, rund 15.000 Aussteller aus 18 Ländern beteiligten sich. Aufsehen erregten etwa der Pavillon du Tourisme von Robert Mallet-Stevens, der österreichische Pavillon von Josef Hoffmann und die Pavillons der Kaufhäuser Bon Marché, Galeries Lafayette, Printemps. Mit dem Erfolg der Avantgarde auf dieser Weltausstellung verbreitet sich der Art-Déco-Stil weltweit, reussiert in New York, Shanghai, Miami, Rio, Tel Aviv…
Art Déco in Paris: Einige Gebäude in Paris zeigen Stilmerkmale des Art Déco, das Palais de Chaillot und das Palais de Tokyo, beide zur Weltausstellung 1937 erbaut, das Palais de la Porte Dorée, das Théâtre des Champs-Elysées und die Folies Bergères, die Kinos Grand Rex und Louxor, die Schwimmbäder Piscine des Amiraux, Molitor und Butte aux Cailles, das Kaufhaus Samaritaine.
Art Déco: 21. Oktober 2022 bis 6. März 2023
Cité de l’Architecture, 1 place du Trocadéro (16e), Métro: Trocadéro
www.citechaillot.fr, Mi–Mo 11–19, Do bis 21 Uhr