NIZZA UND DER KLIMAWANDEL
Cat Nat = Catastrophe Naturelle: In den letzten Jahren litt die französische Côte d’Azur unter einem Rekord an wetterbedingten Naturkatastrophen. Von »étés caniculaires, pluies diluviennes, inondations meurtrières« oder »violents orages«, von Hitzesommern, sintflutartigen Regenfällen, tödlichen Überflutungen und heftigen Stürmen schreiben die Zeitungen dann, und zeigen Fotos der verheerenden Folgen. Unter den 10 Orten Frankreichs, die zwischen 2000 und 2023 am häufigsten die offizielle Anerkennung von Naturkatastrophen beantragten, sind sieben Kommunen im Département Alpes-Maritimes – allen voran Nizza. Denn ein Gesetz aus dem Jahr 1982 sieht vor, dass es für Schäden dann staatliche Unterstützung gibt. Von Jahresbeginn bis Mitte März hat es dieses Jahr in Nizza schon mehr geregnet als 2023 insgesamt; die Folge waren diesmal Erdrutsche und Schlammlawinen. Als 2015 Starkregen Orte an der Côte d’Azur überschwemmte, ertranken 20 Menschen. Das Klima scheint verrückt zu spielen, denn wenn es nicht gerade in Strömen regnet, gibt es monatelang gar keinen Niederschlag – zu viel Wasser wird ebenso zum Problem wie wochenlange Dürre. Nur die Liebe zu Abkürzungen verdorrt in Frankreich nicht: Für die Folgen bitten die Kommunen in Paris um finanzielle Hilfe und die Anerkennung als »Cat Nat«.
Sturzfluten: In Nizza bereitet manchen Mitbürgern der Paillon besondere Sorgen. Der überbaute Fluss verläuft in Nizza weitgehend unterirdisch – unter der schönen Grünanlage Promenade du Paillon mit dem Miroir d’Eau sowie auch unter Gebäuden. Der rund 35 km lange Fluss, der im Hinterland der Côte d’Azur in 1300 Meter Höhe entspringt, ist im Sommer nur ein Rinnsal, sodass Alphonse Karr 1880 einerseits mit gewisser Berechtigung schreiben konnte: »Le Paillon est l’endroit le plus sec de Nice«. Andererseits ist der Paillon aber gleichzeitig seit dem Mittelalter berüchtigt für reißenden Wassermassen und Überschwemmungen nach schweren Regenfällen oder im Frühjahr.
Und wenn ich nicht mehr weiter weiß: Viele Prognosen bescheinigen Südfrankreich, der Klimawandel werde diese Region besonders hart treffen. Auch Christian Estrosi, Bürgermeister der fünftgrößten Stadt Frankreichs, hält die Mittelmeerregionen für besonders gefährdet. Er bezieht sich auf einen Report des GIEC (Groupe d’experts intergouvernemental sur l’évolution du climat), wenn er um 7 Grad höhere Temperaturen und mehr als 90 tropische Nächte im Sommer befürchtet. So heißen in Frankreich Nächte, in denen die Temperaturen nachts nicht unter 20 Grad fallen. Im Hitzesommer 2022 gab es davon in Nizza schon 68, ein französischer Rekord. Denn das Mittelmeer heizt sich besonders schnell auf, die Wassertemperatur überschritt teilweise schon 30 Grad. Wie in Paris will man sich wappnen und neben besseren Vorwarnsystemen auch gegensteuern, unter anderem durch 70 Hektar an zusätzlichen Grünflächen und das Pflanzen von 280.000 Bäumen bis 2026. Ende März 2024 stellte der »Haut conseil local pour le climat et la biodiversité« rund 170 geplante Maßnahmen vor, darunter allerdings vorwiegend »Evaluierungen« und Arbeitskreise, die das konkrete Handeln ja erneut verlangsamen oder in die Zukunft verschieben. Da soll mit der Universität und Meteo-France zusammengearbeitet, eine Klima-Akademie gegründet und ein Bürger-Konvent geplant werden… Etwas handfester ist der Vorschlag, schattige Wege durch die Stadt zu markieren, ein realisierbarer Wunsch der nach mehr Biodiversität auf den Wochenmärkten. Ansonsten wird eher die Verwaltung beschäftigt, vielleicht ein paar Planstellen geschaffen… Solche Klimaschutzpläne dienen eher der Beruhigung und verleiten dazu, die gute Absicht für die Tat zu nehmen. Der Bürgermeister und die Mitarbeiter der »Ville de Nice« werden sich dennoch daran messen lassen müssen, was tatsächlich in Angriff genommen wird, bevor das nächste schwere Unwetter mit Wolkenbrüchen, ein neuer Hitzerekord oder ein anderes »Extremereignis« eintritt.
Quelle: Stadt Nizza / Ville de Nice
Quelle: Météo France
http://pluiesextremes.meteo.fr/france-metropole/Crue-du-Paillon-a-Nice.html