KOCHBUCH VON ALICE WATERS: THE ART OF SIMPLE FOOD
Farm to table: Die Gastronomin Alice Waters ist mit ihrem kalifornischen Restaurant »Chez Panisse« für ganze Heerscharen von Köchen ein Vorbild und Inspiration gewesen und als food activist und Pionierin für Biolebensmittel auch eine Ikone der amerikanischen Ökobewegung (lesenwert ist die Biografie ihrer Tochter Fanny Singer: »Always Home«). Ihr jahrzehntelanger Einsatz für nachhaltige Landwirtschaft ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Die Unternehmerin ist eine »locavore« der ersten Stunde – schon seit Anfang der 1970er-Jahre setzt sie sich dafür ein, nur Zutaten zu verwenden, die in der Region (und möglichst biologisch-organisch) angebaut werden. »Essen ist Politik, und mit Verstand zu essen, zu kochen und Gemüse anzubauen, gehört zu den wichtigsten Dingen, die man derzeit tun kann«, sagte Alice Waters 2014 in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Auch am Ernährungsprogramm für Schulkinder von Michelle Obama war sie beteiligt und unterstützte diese bei ihrem Herzenswunsch, am Weißen Haus einen Gemüsegarten einzurichten. Inzwischen setzt die 1944 geborene Amerikanerin mit ihren im Restaurant beschäftigten Köchen schon seit fast fünf Jahrzehnten auf Bio und »farm to table«.
Ein Kochbuch ohne einziges Foto: Obwohl das Original schon 2007 erschien und Alice Waters insgesamt rund ein Dutzend Kochbücher veröffentlich hat, ist nur »The Art of Simple Food« in deutscher Übersetzung veröffentlicht worden und das erst 2014. Gut und schlecht zugleich – gut, dass es endlich auf Deutsch erhältlich ist, schlecht, dass es so spät kam (in Frankreich ist es bei Actes Sud sogar erst 2018 erschienen). Mit manchen Kochbüchern wird man erst warm, wenn man ein paar Rezepte ausprobiert hat – weil es eine fremde Länderküche oder ein ganz anderes Konzept als das eigene ist. Mit dem Buch von Alice Waters fühle ich mich wie zuhause, unsere Herangehensweise ist einfach dieselbe: Im Mittelpunkt steht frisches, erstrangiges Gemüse und wir nehmen es ernst, aber ohne jedes Veggie-Getue. Bei Alice Waters gibt es keine einzige Buddha-Bowl, kein Geschwätz von Clean Eating, Superfoods oder Detox, keine exotischen Ingredienzien. Dafür Respekt vor »essbaren Pflanzen«: Ihr Credo »Kauf regional, achte auf die Umwelt, aus der deine Zutaten stammen, und feiere die jeweiligen Ernten« ist auch meins. Und wir haben dieselben Lieblingszutaten: »Kochen ohne die Allium-Familie kann ich mir nicht vorstellen: Knoblauch, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Lauch und Schalotten.« »Kräuter prägen meine Küche. Sie liefern Frische – oder gar Lebendigkeit – Schönheit, Duft und Geschmack, kurz: alles, was mich in der Küche inspiriert und antreibt.« »Vom Salatmachen und Salatessen kann ich nie genug kriegen.«
Frisch, saisonal, biologisch: Im Februar ist man das ganze Wintergemüse wirklich endgültig leid. Kohl, Hülsenfrüchte, Wurzelgemüse – all das schmeckt gut, aber nach den vielen dunklen Tagen macht sich doch die Sehnsucht nach frischem Grün sehr breit. Für den Anfang hilft schon mal Kochbuchlesen, mit Vorfreude schmökere ich durch die Kapitel über Kräuter, Blattsalate, »Zarte Zichorien« (Endivie, Chicorée, Puntarelle, Frisée, Radicchio) und »Knackige Stängel« (Fenchel, Staudensellerie, Spargel, Kardonen), die Sommerkapitel hebe ich mir für später auf. Alle Rezepte sind unprätenziös, aber abwechslungsreich, und zeichnen sich durch Einfachheit aus, doch Alice Waters gibt vielem einen neuen Dreh, von dem ich mir trotz meiner auch sehr langen Küchenpraxis noch etwas abschauen kann. So werden die Kräuter für den Blattsalat mal nicht fein gehackt, sondern zum Pesto püriert – auch im Dressing intensiviert das das Aroma noch. Die Zwiebelsuppe (für die ich eigentlich kein Rezept benötige) wird mit Hühner- und Rinderbouillon zubereitet – ein würziges Geschmackserlebnis, auch dank des verwendeten Thymians. Kräuterbutter mal mit Koriander und Zitrone, Meerrettich-Salsa, sautierte Radieschen oder Fenchel-Zitronen-Relish zu Fisch, vor allem beim Würzen anspruchsvoller Gemüseküche gibt das Kochbuch viele Anregungen. Zu Spaghetti mit Radicchio, eines meiner Lieblingspastagerichte, gesellen sich nicht wie üblich Pinienkerne und Rosinen, sondern Merguez, zu Rucola nicht Tomate und Mozzarella, sondern Pfirsiche. Aufgetischt habe ich auch den Postelein-Salat und den fantastischen Rohkostsalat aus Möhre, Kohlrabi und Apfel. Die Liste, was noch probiert wird, ist lang, denn auf jedes Rezept im Buch kommen noch zwei, drei Tipps für Varianten!
Kochbuch von Alice Waters: The Art of Simple Food. Rezepte und Glück aus dem Garten, Prestel Verlag 2014, ISBN 978-3-7913-4991-6, Ladenpreis 34,95 €
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