FANNY SINGER: ALWAYS HOME

Mütter und Töchter: Meist eine komplizierte Geschichte, mit enttäuschten Erwartungen und unverziehenen Kränkungen. In diesem Fall nicht. »A foodie fairy tale« hat die englische Chefköchin Skye Gyngell das Memoir genannt, und tatsächlich könnte man sich mit dem Buch gut zum Schmökern auf ein Sofa zurückziehen, um ganz und gar in diese harmonische Mutter-Tochter-Beziehung einzutauchen. So ein liebevolles und intimes, aber keineswegs sentimentales oder distanzloses Porträt wird man lange suchen müssen, von einer charmanten Autorin mit einem feinen Humor, die in zahllosen einzelnen Vignetten nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihr eigenes Aufwachsen in einem unkonventionellen, rundum vom Spaß am Kochen und Essen geprägten Haushalt beschreibt. Eine enge Verbindung von zwei sich nahestehenden Frauen, aus der ein bewegendes Buch über Liebe, Fürsorge, Sensibilität gegenüber der Umwelt und die universelle Kraft von Essen wurde, wunderbar übersetzt von Susanne Kammerer.

A Daughter’s Recipes & Stories: Alliterierend empfindet der deutsche Untertitel das Original nach – »Familie, Freunde & Food«. Und tatsächlich sind es kulinarische Erinnerungen, auf fast jeder Seite geht es um Essen. Rezepte gibt es auch, im Mittelpunkt stehen jedoch köstliche Kindheitserinnerungen, inspirierende Köchinnen und Köche im Freundeskreis, beglückende Entdeckungen auf Reisen nach Südfrankreich und Italien, Familienmahlzeiten, Mitarbeiterpartys und Besuche in Sternerestaurants. In mehr als Nebenrollen: wohltuende Hühnerbrühe und Coming-Home-Pasta, Pancakes zum Frühstück und Knoblauchbrot in der Lunchbox, reife Erdbeeren der Sorte »Mara des bois« und Unmengen von Koriander, über offenem Feuer gebackene Eier, Salade Niçoise und mehr.

Essen kann die Welt verändern: Aufgewachsen ist die Autorin in Berkeley bei ihrer Mutter Alice Waters, die als Farm-to-Table-Pionierin, Aktivistin für gesunde Ernährung und regionale Bio-Lebensmittel und Miteigentümerin des legendären Restaurants »Chez Panisse« weit über Kalifornien und die gesamten USA ein Begriff ist. Die mit zahllosen Preisen, Ehrendoktorwürden und Ritterschlägen ausgezeichnete Alice Waters hat sich unter anderem für »edible schoolyards« eingesetzt, ist seit 2002 Vizepräsidentin des internationalen Slow-Food-Organisation und hat Michelle Obamas Küchengarten angelegt. Hartnäckig setzte sie sich schon für saisonale, umweltverträglich angebaute Lebensmittel aus der Region ein, als es noch gar keine Ökobewegung gab, heute zählt sie zu den bekanntesten und einflussreichsten Persönlichkeiten der modernen amerikanischen Küche. Alice Waters veröffentlichte mehrere Kochbücher, im Prestel Verlag erschien »The Art of Simple Food« in deutscher Übersetzung.

Always salad! Fanny muss ein unerschrockenes Kind gewesen sein, dass alles probieren mochte und früh eine Vorliebe für Hummer entwickelte. Nur ihre Leidenschaft für Salat ist noch größer, den es in jeglicher Form auch schon zum Frühstück geben darf: »I’ll happily eat salad any time of day« zieht sich als Bekenntnis durchs Buch und Interviews. Ein eigenes Kapitel im Buch hat Salat auch erhalten, das ich selbstverständlich zuerst gelesen habe, weil ich Fanny Singers Abneigung gegen »Salatwüsten« ohne »Rohfutter« teile, in denen man bald »eine unstillbare Sehnsucht nach einem einfachen grünen Salat« entwickelt.

Fanny Singer, Always Home. Familie, Freunde & Food, Penguin Random House Verlagsgruppe, München 2021, aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Kammerer