GRÜN: DAS BUCH ZUR FARBE
Grüne Hölle Grüner Daumen Grünschnabel: Grasgrün sind Einband, Vorsatzpapier und Farbschnitt, grün sind die Zwischenüberschriften, Seitenzahlen und Kolumnentitel, selbst die Abbildungen sind grün – signalartig zeigt die Gestaltung, worum es im Buch geht. Einerseits um Grün als Farbe – also um Pigmente und pflanzliche Farbstoffe, um Kölner Brückengrün, um witterungsbedingten Grünspan oder um den Teil des sichtbaren Spektrums der elektromagnetischen Wellen – etwa im kurzen Kapitel »Chemie und Physik«. Andererseits bezeichnet das Adjektiv »grün« nicht nur eine Farbe, sondern nimmt je nach Kontext unterschiedliche Bedeutung an, kann auch jung, roh oder unreif bedeuten, ökologisch oder naturverbunden, naiv oder unerfahren. Im übertragenen Sinn steht Grün für Wachstum, Anfang und Neubeginn, ob in Redensarten oder in der Liturgie, im Pflanzenreich oder in der Politik.
Schlag nach bei Duden: Nach Wissensgebieten von Botanik bis Zoologie geordnet erkunden die innerhalb der Rubriken alphabetisch sortierten Einträge die vielfältige Welt der Farbe Grün. Der Sport bringt es auf drei, die Kunst auf 18 Textseiten, letztere enthält allerdings eine lange Übersicht von Gemälden mit Grün im Titel. Weitere Tabellen listen Grün in Buchtiteln und Zitaten der deutschen Literatur auf, das Kino dagegen wurde vergessen oder absichtlich weggelassen, ein Film wie »Das grüne Leuchten« von Eric Rohmer wird selbst beim Stichwort »Der grüne Strahl« nicht erwähnt (unbedingt auf Arte ansehen: Blow up – Die Farbe Grün im Film). Grüne Disneyfiguren, der Marvel-Hüne Hulk oder der grüne Antiheld Shrek haben keinen Auftritt. Aber einem Buch, das vollständig gar nicht sein kann, vorzuwerfen, was es nicht enthält, führt zu nichts, interessanter sind die Entdeckungen, die es ermöglicht, und die Fragen, die es beantwortet.
Grüne Tonne Grüne Gefahr Greenwashing: Warum Ärzte grüne Kittel tragen, beispielsweise, oder Minister grüne Tinte benutzen. Kreuz und quer lesend erfährt man, dass die alten Ägypter den Edelstein Malachit zu grünem Lidschatten zerrieben, die Grüne Jungfer, eine Libelle, eine Höchstgeschwindigkeit von bis 100 km/h erreicht, die Jungtiere der Grünen Pythonschlange leuchtend gelb sind und es einen Fisch mit grünen Gräten gibt. So wusste ich bislang auch nichts von den Grünen Mauern, Aufforstungsprojekten in China und in der Sahelzone Afrikas. Besonders interessant sind die Kapitel zur Literatur und Kunst, die zur näheren Beschäftigung anregen. Es bleibt zu hoffen, dass der Autor Hermann Josef Roth, Pharmazeut und Künstler, seinem Namen weitere Ehre macht, und Bände zu Rot, Gelb und Blau nachlegt.
Hermann Josef Roth, Grün. Das Buch zur Farbe, Dudenverlag, Berlin 2021
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