GREENPEACE: STUTTGART IM STÄDTE-RANKING
Nachhaltige Mobilität: Ein schönes Fotomotiv hat Greenpeace für das Cover seiner Studie zur nachhaltigen Mobilität ausgesucht: Vor einigen Altbauten sind nur Fußgänger, Radler und eine Straßenbahn unterwegs. So stelle nicht nur ich mir eine lebenswerte Großstadt vor: Vielleicht nicht ganz ohne Autos, aber doch mit deutlich weniger. »Vier von fünf Deutschen wünschen sich, dass Städte so umgestaltet werden, dass wir kaum noch auf ein Auto angewiesen sind und unsere Wege mit dem Rad, öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zurücklegen können. Viele Städte haben diesen Wunsch gehört – umgesetzt aber wird er mit sehr unterschiedlicher Konsequenz«, heißt es in der Ankündigung der Umweltorganisation zur diese Woche erschienenen Studie. Mit dem Ranking der 14 größten Städte Deutschlands sollen diese Unterschiede aufgezeigt werden.
»Spritosaurier« im Straßenverkehr: Ich habe jahrzehntelang kein eigenes Auto besessen – und mir erst nach dem Umzug aus der Großstadt aufs Dorf widerwillig einen 10 Jahre alten PKW angeschafft. Ein paar Jahre habe ich per Carsharing in Köln ab und zu ein Auto gemietet, aber viele Jahrzehnte bin ich ganz ohne den sogenannten fahrbaren Untersatz ausgekommen und war mit Bus und Bahn, zu Fuß und per Rad unterwegs, während rund um mich herum immer mehr Autos und vor allem immer mehr dicke, schwere, spritdurstige und luftverschmutzende SUV-Blechkolosse die Bürgersteige zuparkten, mir die Vorfahrt als Radlerin nahmen oder mich auf Zebrastreifen fast über den Haufen fuhren – einmal brachte mich ein aus der Garage rücksichtslos zurücksetzender Autofahrer für drei Monate ins Krankenhaus, als ich an einem schönen Sommertag fröhlich ins Freibad radeln wollte (auf der Straße, nicht auf dem Bürgersteig!). Selbst der Spiegel widmete der »automobilen Unvernunft« namens SUV einen kritischen Artikel und entwarf eine ironische Typologie der Käufer (http://www.spiegel.de/auto/fahrkultur/suv-boom-wer-faehrt-die-teuren-stadt-gelaendewagen-a-965785.html).
Zu viele Autos, besonders dicke Luft: In der Mobilitätsstudie schneidet Stuttgart – erwartungsgemäß muss man leider sagen – schlecht ab. Greenpeace hat vom Hamburger Planungsbüro Urbanista verschiedene Aspekte untersuchen lassen, darunter die PKW-Dichte in den 14 deutschen Großstädten, das Angebot an Leihrädern und die Erreichbarkeit von ÖPNV-Haltestellen. Stuttgart, das inzwischen mit unerfreulicher Regelmäßigkeit Feinstaubalarm ausrufen muss, fällt in vieler Hinsicht regelrecht durch: Bei einer NO2-Belastung von 64,25 μg/m3 bildet Stuttgart mit Abstand das Schlusslicht und auch mit einem CO2-Ausstoß von 8,6 Tonnen pro Einwohner schneidet die Landeshauptstadt schlecht ab: Stickstoffdioxid-, Feinstaub- und CO2-Werte sind viel zu hoch. Der EU-Grenzwert für die die NO2-Belastung legt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen strengeren Grenzwert von 20 Mikrogramm. Doch die PKW-Dichte in Stuttgart wächst und wächst, im Jahr 2015 kamen 478 Autos auf 1000 Einwohner (in der Hauptstadt Berlin lediglich 341).
Industrieschutz vor Umweltschutz: Leider wird der regelmäßige Alarmruf, dass im alltäglichen Verkehrschaos wieder sämtliche Grenzwerte überschritten wurden, in der Autobauerstadt Stuttgart mit lächerlich zahmen Maßnahmen beantwortet – mit vertikalen Mooswänden oder Appellen an die Bevölkerung, ab und zu das Fahrzeug mal stehen zu lassen. Schaut man sich den sogenannten Modal Split an, also den jeweiligen Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel, ist Stuttgart mit 55,5 Prozent Auto-Anteil – ebenfalls mit Abstand dem schlechtesten Wert im Ranking – weit entfernt von Berlin (30 Prozent) und München (32 Prozent). Nur 7,5 Prozent der täglichen Wege werden in Stuttgart mit dem Rad zurückgelegt, das unterbieten nur Essen und Dortmund! Greenpeace weist durchaus darauf hin, das die einzelnen Städte nicht direkt vergleichbar sind, weil Einwohnerzahl und Topographie wie die Stuttgarter Kessellage die Messwerte beeinflussen. Lob von Greenpeace gibt es nur für die Zahl der Bike&Ride-Plätze und die Fahrrad-Stellplatzverordnung der Stadt. Mit dem enttäuschenden Fazit, keine der untersuchten Städte mache es ihren Bewohnern leicht, ohne Auto auszukommen, will man die Diskussion anregen und den Wettbewerb zwischen den Städten fördern. Als positives Beispiel führt die Mobilitätsstudie (außer Konkurrenz) Freiburg auf, im internationalen Vergleich hätte es aber sicher noch einige andere Beispiele gegeben, die zeigen, was mit einer ehrgeizigen, umweltorientierten und nachhaltigen Stadtplanung möglich wäre.
Download der Mobilitätsstudie:
http://www.greenpeace.de