ERIKA UND KLAUS MANN: DAS BUCH VON DER RIVIERA

Erika Mann: Die erstgeborene Tochter (1905–1969) von Thomas Mann stand schon als Schülerin das erste Mal auf der Bühne und begann danach ein Schauspielstudium. Erika und ihr jüngerer Bruder Klaus traten wie Zwillinge auf, und obwohl sie seinem Vorschlag, zu schreiben, zunächst ablehnend gegenüberstand, blieb sie nicht lange nur »Actrice von Beruf«. Schriftstellerin wollte sie dennoch nicht werden, davon gab es in ihrer Familie schon genug, fand Erika Mann, sondern »nur für die Zeitung« wollte sie schreiben. Tatsächlich erschien der 1929 gemeinsam mit ihrem Bruder veröffentlichte Bericht mit dem Titel »Rundherum« über eine zuvor unternommene, mehrere Monate dauernde Weltreise in Teilen zuerst im gerade gegründeten Berliner Boulevardblatt »Tempo«. Die noch offenen Hotelrechnungen der beiden lebenslustigen Weltenbummler beglich der Vater 1929 aus dem Preisgeld des Literaturnobelpreises.

Journalismus als Chance: In einer Glosse mit dem Titel »Frau und Buch«, beantwortet Erika Mann die rhetorische Frage, ob die Frau »gleich Bücher schreiben [soll], wenn sie glaubt, daß sie es könnte« damit, dass der Journalismus die größeren Chancen eröffne. »Seit kurzem gibt es einen neuen Typ Schriftstellerin, der mir für den Augenblick der aussichtsreichste scheint: Die Frau, die Reportage macht […].« Und tatsächlich begannen auch Gabriele Tergit oder Elisabeth Castonier wie Erika Mann ihre Karriere als Autorinnen im Journalismus. Dem heiteren Reisebuch schloss sich 1931, wieder gemeinsam mit dem Bruder, »Das Buch von der Riviera« an, eine Auftragsarbeit für die im Piper Verlag erscheinende Reihe »Was nicht im Baedeker steht«, in der insgesamt 17 Bände veröffentlich wurden mit Startauflagen von 5000 bis 10.000 Exemplaren. Später erschienen zahlreiche journalistische Arbeiten, Theaterstücke, Glossen, Kinderbücher und politische Essays.

Bücherverbrennung: Heute vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, fanden in mehr als einem Dutzend Universitätsstädten Deutschlands als Aktion mit großer Öffentlichkeitswirkung Bücherverbrennungen statt. Mit verbrannten Büchern begann die systematische Verfolgung pazifistischer, jüdischer, oppositioneller oder sonstwie unliebsamer und unbequemer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Auch das öffentliche Verfeuern von »Schund und Schmutz«-Literatur und »zersetzenden Schrifttums« auf Scheiterhaufen war keine spontane Aktion, sondern generalstabsmäßig geplant, mit »Schwarzen Listen« vorbereitet und tatkräftig unterstützt von Universitäten und Bibliotheken, Buchhandel, Stadt- und Volksbüchereien. Zu den indizierten Autorinnen in der Zeit des Nationalsozialismus gehörte neben Vicki Baum, Claire Goll, Marieluise Fleißer, Annette Kolb, Anna Seghers auch Erika Mann, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen die Behörden 1935 aber vor allem der politisch engagierten Kabarettistin und bürgerten sie aus. Erika Mann war allerdings schon 1933 emigriert.

Côte d’Azur: Lohnt es sich, das muntere Reisebuch zu lesen, mit dem zeitlichen Abstand von fast hundert Jahren? Als Gegenentwurf zu den sachlichen Reiseführern der Baedeker-Reihe waren die Bände der Piper-Reihe bewusst im feuilletonistischen Stil geschrieben, lakonisch, augenzwinkernd und nicht ganz ernst gemeint. Alle paar Jahre erscheint ein Reprint, mal in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung, mal bei Rowohlt, der Büchergilde, in der Edition Ebersbach oder anderswo, so gut wie nie mit Originalcover oder -Illustrationen. Im offenen Ford brausen Erika und Klaus von Marseille immer an der Küste entlang, beiläufig wird hier und dort Prominenz erwähnt, und wieder zahlt der Vater, wenn dem unternehmungslustigen Geschwisterpaar aus berühmten Hause das Geld ausgeht. Die unbeschwerten Reiseeindrücke vermitteln, wie leicht das Leben Ende der 1920er-Jahre für eine verwöhnte, champagnerselige Jeunesse dorée noch war. Kein Wunder, dass die »größte Attraktion der französischen Riviera das »Nichtstun« ist. In Marseille lässt sich »von glasbedeckten Veranden« der großen Kaffeehäuser an der Canebière »das muntere Treiben des Volks beobachten«, Sanary dagegen ist »der sommerliche Treffpunkt der pariserisch-berlinisch-schwabingerischen Malerwelt, der angelsächsischen Boheme«. In Bandol: smartere Boheme: »Mehr Champs-Elysées und Montmartre als Montparnasse.« Toulon wimmelt von Matrosen auf Landurlaub, Hyères ist »still und fein und sehr angelsächsisch« – alte Damen mit phantastischen Bankguthaben genießen dort das milde Klima. So geht es unbeschwert weiter, über den »reizenden Flecken« Saint-Tropez bis nach Menton und über die italienische Grenze. Ob die pompösen Luxushotelpaläste der Croisette im reichen Cannes, die belebte Promenade des Anglais im reizvollen Nizza oder die Spielsäle im Kasino von Monte Carlo – im Plauderton lässt das Buch von der Riviera die Goldenen Zwanziger an der südfranzösischen Küste wieder auferstehen.

 

 

Erika und Klaus Mann, Das Buch von der Riviera, Reprint, Kindler Verlag 2019

 

Frau und Buch, aus: Tempo,Berlin, 21. März 1931, abgedruckt in: Erika Mann, Blitze überm Ozean. Aufsätze, Reden, Reportagen, (Hg.) Irmela von der Lühe und Uwe Naumann, Rowohlt Verla Reinbek 2000

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