DOMINIQUE MANOTTI: SCHWARZES GOLD

Mord im Mittelmaß: Mein Fall sind sie nicht, die in Frankreich spielenden Regionalkrimis von deutschen und britischen Autoren. Was ich von den Périgord-, Aquitanien- oder Bretagne-Krimis angelesen habe, hat mich so gelangweilt, dass ich entgegen sonstiger Gewohnheit die Bücher nicht mal durchgelesen habe. Und schon grundsätzlich lese ich keine Krimis von deutschen Autoren, die sich zum Veröffentlichen französische Pseudonyme wählen – viele deutsche Leserinnen und Leser wissen gar nicht, dass Jean-Luc Bannalec kein Bretone ist, sondern ein deutscher Ex-Verleger, und Yann Sola kein Südfranzose, sondern ein deutscher Ex-Buchhändler. Mir missfällt solche kulturelle Aneignung, und ich unterstelle sicher nicht zu Unrecht, dass die Pseudonyme vor allem dem Anpeilen von Verkaufserfolgen geschuldet sind. Soll also Martin Walker und Konsorten lesen, wer mag, die Verkaufszahlen lassen ja nicht zu wünschen übrig. Mir wäre lieber, deutsche Krimischreiber würden sich ebenso viele Gedanken über Qualität machen wie übers Marketing… Dennoch sind Kriminalromane eine empfehlenswerte Reiselektüre. Und dass nicht nur, weil der Ort des Geschehens eine wichtige Rolle spielt. Das tut er in Regionalkrimis auch, aber nur als Kulisse.

Schauplatz Marseille: In wirklich interessanten Krimis erfährt man auch etwas über die »französischen Verhältnisse«, beispielsweise in der Marseille-Trilogie von Jean-Claude Izzo. Als Drogenumschlagplatz, durch Bandenkriege und mafiöse Strukturen hatte Marseille sich den Ruf als »Chicago des Mittelmeers« und »Hauptstadt des Verbrechens« erworben. Polizei, Verwaltung und Politik schienen machtlos – oder waren womöglich Teil des Problems. Der Roman »Schwarzes Gold« (Or noir) von Dominique Manotti spielt 1973, während der ersten Ölkrise. Auch nach der Zerschlagung der legendären »French Connection« bilden Korruption und die alten Fronten der Résistance, politische Seilschaften und kriminelle Wirtschaftsbosse den Hintergrund für den neuen Fall von Théodore Daquin, aus Paris in die Hafenmetropole Marseille versetzt, wo er nun gerade seinen Posten antritt (in früheren Romanen hat die Autorin schon seine spätere Geschichte erzählt). Der smarte Marseiller Geschäftsmann Maxime Piéri wurde vor dem Casino von Nizza mit zehn Kugeln hingerichtet, der Staatsanwalt vermutet eine Abrechnung im Milieu. Doch Daquin stößt auf dubiose Aktivitäten von Piéris Frachtern im Mittelmeer. In einer ihm fremden Stadt, die mit dem wirtschaftlichen Niedergang kämpft, muss der junge, schwule, intellektuelle und unbestechliche Kommissar einen komplizierten Fall lösen, der ihn tief in das Mafia-Milieu und die Dunkelzonen der Stadt führt, mit den Machenschaften der großen Ölkonzerne und dem Heroinhandel konfrontiert. Dominique Manottis lakonischer, sachlich-journalistischer und temporeicher Stil sorgt schnell für höchste Spannung, weitere Morde folgen… Daquin hat nicht viel Zeit, um sich angesichts einer undurchsichtigen Lage zugleich mit den lokalen Geheimnissen, den Untiefen des Frachtgeschäfts und der internationalen Finanzkreisläufe vertraut zu machen. »Wie immer bei Manotti bekommt man einen millimeterfein ausgeklügelten Plot, akribische Recherchen und herrlich kontrastreiche Figuren.« (Le Figaro).

Dominique Manotti: 2016 erhielt die französische Autorin für »Schwarzes Gold« den Grand Prix du Roman Noir, ihr Werk wurde mit zahlreichen weiteren Literaturpreisen geehrt. Ich freue mich auf ihren neuen Band »Marseille.73«, der im Oktober wie alle Bände der Autorin bei Ariadne im Argument Verlag in deutscher Übersetzung erscheint. Dominique Manotti, geboren 1942, ist Historikerin. Sie lehrte an Pariser Universitäten Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit und war als Gewerkschafterin aktiv. Frustriert von der politischen Perspektivlosigkeit der Mitterrand-Ära begann sie mit fünfzig, Romane zu schreiben.

 

Dominique Manotti: Schwarzes Gold, aus dem Französischen von Iris Konopik. Argument Verlag, Hamburg. Ariadne Kriminalroman 1213, als Taschenbuch 1248

Auch in meinem RTB Côte d’Azur (DuMont Reiseverlag) empfehle ich Manotti und Izzo als Lesetipps (siehe abgebildete Doppelseite).

 

Print Friendly, PDF & Email