DER PESTIZIDATLAS 2022

Gefährliche Substanzen: »Im Bier und im Honig, auf Obst und Gemüse, im Gras auf Spielplätzen und sogar im Urin und in der Luft – überall lassen sich mittlerweile Spuren von Pestiziden aus der Landwirtschaft nachweisen.« Im Vorwort zum Pestizidatlas, einer Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, PAN Germany und der Zeitung »Le Monde Diplomatique«, bedauern die vier Vertreter:innen der beteiligten Organisationen, dass kaum ein Land weltweit eine Reduktionsstrategie hat oder gar eine Landwirtschaft fördere, die sich unabhängig von chemischen Pflanzenschutz macht: Offenkundig fehle der politische Wille. In der aktuellen, im Januar 2022 erschienenen Ausgabe geht es in zwanzig Beiträgen um vielerlei globale und regionale Aspekte – um negative Folgen für unsere Gesundheit und Insektensterben, Schadstoffe in Gewässern und bedrohte Biodiversität, Gentechnik, Lobbyismus und die großen Geschäfte der Konzerne sowie auch um positive Ansätze wie den Einsatz von Nützlingen und Vorbilder wie Dänemark, das mit einer Pestizigabgabe die auf Äckern ausgebrachte Menge deutlich reduzieren konnte. Eine Jugendumfrage bestätigt: Junge Menschen »wollen mehr Ökologie auf dem Acker« und fordern die Politik zum Handeln auf. Der Pestizidatlas liefert dazu eine Fülle aufschlussreicher Daten und Fakten zu Giften in der Landwirtschaft, visualisiert in anschaulichen Infografiken, alle mit nachprüfbaren Quellenangaben und in Zusammenhänge eingeordnet. Ich stelle hier nur zwei Kapitel näher vor, der Atlas kann kostenlos heruntergeladen werden unter www.boell.de/de/pestizidatlas

Pestizidatlas 2022

Rückstände in Lebensmitteln: Bei Gemüse und Obst aus Italien, Spanien und Deutschland wiesen 93 Prozent der untersuchten Proben Rückstände von insgesamt 226 Pesitizidwirkstoffen auf. Zudem landet auch belastete Ware als Import aus außereuropäischen Ländern, wo weniger reguliert wird, auf deutschen Tellern – die großen Agrarchemiekonzerne verkaufen in Europa verbotene Pestizide gern in den globalen Süden. Ein unerfreulicher Fakt: »Besonders häufig wurden Mehrfachrückstände in frischen Produkten wie Johannisbeeren, Süßkirschen, Grapefruits, Rucola und Tafeltrauben festgestellt.« (Seite 20) Für jeden in der EU zugelassenen Wirkstoff gibt es zwar Maximalwerte, wie hoch die Belastung von Lebensmitteln sein darf, leider jedoch keinen Maximalwert für die Summe aus Mehrfachrückständen (Beitrag von Silke Bollmohr und Susan Haffmans).

Pestizidatlas 2022

Pestizidfreie Regionen: Erfreuliche Ansätze zeigen weltweit einige Orte und Länder, die versuchen, weniger Pestizide auszubringen. In Deutschland kommt beispielsweise Saarbrücken schon über 25 Jahre ohne Pestizide aus, in Frankreich hat Paris schon länger die kommunalen Grünflächen ohne Chemie unterhalten, seit 2019 ist es allen Bewohnern verboten, Pestizide einzusetzen. Landesweit verbietet eine gesetzliche Regelung, das Loi Labbé von 2017, Kommunen den Einsatz von »produits phytosanitaires chimiques« für öffentliches Grün. Seit Juli 2022 gilt das Verbot auch für Campingplätze, Friedhöfe, Sportplätze und Gärten von Unternehmen, Krankenhäusern, Schulen, Hotels, ab 2025 auch für Golfanlagen, Pferderenn- und Tennisgrasplätze. Dänemark setzt sein landesweites Verbot für den öffentlichen Bereich sogar schon seit 2007 um. Beispiele außerhalb Europas sind Kirgistan und der indische Bundesstaat Sikkim (Beitrag von Ulrike Bickel).

Pestizidatlas 2022

www.boell.de/de/pestizidatlas

 

© Titelbild Pestizidatlas Martina Puchalla

© Infografiken Pesitizidatlas Eimermacher/Puchalla, CC BY 4.0

Übrigens: Mein Artikel zum Fleischatlas erschien 2018 hier auf dem Blog.

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