WEINWISSEN: WEISSBURGUNDER

Unterschätzte Rebsorte? Wann immer eine Weinkarte im Restaurant vielversprechend aussieht, bestelle ich Weißburgunder, dessen frische Säure und feine Frucht ich eleganter finde als bei seinem beliebten nahen Verwandten Grauburgunder, der bislang vor allem vom wachsenden Weißweingenuss profitiert und sich schwerer und wuchtiger gibt. Und auch, wenn ich mir das Sortiment in Weinhandlungen anschaue, kaufe ich bevorzugt Weißburgunder als Testwein. Ich bin zwar nicht die einzige, die diese Rebsorte in den letzten Jahren schätzen gelernt hat, und auch mehr und mehr deutsche Winzer entdecken den Wert dieser eleganten Rebsorte. Doch mengenmäßig steht Weißburgunder im Schatten beliebterer Sorten wie Riesling, Müller-Thurgau und Grauburgunder. Etwa 5.747 Hektar – nur 5,6 Prozent der deutschen Rebfläche – sind derzeit mit der Sorte bestockt. Seit mehreren Jahrzehnten ist ein steter Aufwärtstrend zu beobachten: Seit 1995 hat sich die Rebfläche mehr als verdreifacht. Spitzenreiter ist Baden – auch für Grau- und Spätburgunder bekannt – mit 1.580 Hektar (10 Prozent der Rebfläche), es folgen Rheinhessen und die Pfalz mit jeweils etwa 1.450 und 1.350 Hektar (5,1 und 5,7 Prozent der Rebfläche). An der Nahe mit 313 Hektar und in Sachsen mit 61 Hektar ist die Fläche zwar gering, der prozentuale Anteil in diesen kleineren Weingebieten mit 7,4 und 12,4 Prozent aber höher. (Quelle: Deutsches Weininstitut, Statistik 20/21, www.deutscheweine.de).

Weißburgunder in Europa: Trotz des geringen Anteils ist Deutschland tatsächlich weltweit Nummer 1 beim Weißburgunder. Nicht nur hierzulande, auch bei unseren Nachbarn ist die Rebsorte vertreten, spielt aber in den deutlich größeren Anbaugebieten nur eine nachgeordnete Rolle. Man vergleiche die 1181 Hektar in Frankreich, wo die Sorte Pinot Blanc und gelegentlich auch Clevner heißt und fast ausschließlich im Elsass angebaut wird (wo der Weißburgunder ein wichtiger Bestandteil des Schaumweins Crémant ist), mit den mehr als 82.000 Hektar Ugni blanc oder den rund 50.000 Hektar Chardonnay. Ähnliches gilt für den Pinot Bianco (2337 Hektar) in Italien. Auch in Österreich und der Schweiz, Tschechien, Slowenien und der Slowakei ist die Sorte verbreitet. Den Ansprüchen des Weißburgunders im Anbau setzt die Klimaveränderung in unseren Breitengraden weniger zu: Bevorzugt werden warme, möglichst tiefgründige und kräftige Böden sowie exponierte, trocken-warme Lagen. Sodass der Weißburgunder dort noch gedeiht, wo es für den Riesling schon zu heiß ist, mit 23,3 Prozent der Rebfläche die meistangebaute Rebsorte in Deutschland.

Vielseitig und mild: Elegante, zartfruchtige Weißburgunder, trocken ausgebaut, mit moderater Säure, sind ideale, vielseitig verwendbare Weine zum Essen, da sie sich vielen Speisen problemlos anpassen. Anders als der mit exotischen Grapefruit-, Kiwi- und Maracuja-Aromen auftrumpfende Sauvignon blanc besitzt der Weißburgunder ein dezentes Aroma, das häufig an grüne Nüsse, Apfel, Birne, oder gelbe Früchte wie Quitte, Aprikose, Mirabellen oder frische Ananas erinnert. Durch seine angenehme Zurückhaltung passt er gut zu Meeresfrüchten und Fisch, Kalbfleisch und Geflügel, Pilz- und Spargelgerichten oder eignet sich einfach als gut gekühlter Terrassenwein oder Aperitiv im Sommer. Im alten Holz oder neuen Barrique ausgebaute Weine mit ihren Vanille- und Brioche-Noten passen auch zu Lamm oder Wildgeflügel – sind aber nicht mein Fall, ich schätze elegante Frische und feine Mineralik.

Weinverkostung: Der im Frühjahr 2015 gegründete Zusammenschluss von 15 Weingütern aus den beiden benachbarten Bereichen Kraichgau und Badische Bergstraße, die in Baden die Kernregion für Weißburgunder bilden, die »Weiße Burgunder Charta«, soll der Rebsorte mehr Aufmerksamkeit und Prestige verschaffen. Bei meiner Auswahl ist noch kein Weißburgunder der beteiligten Winzer dabei – ich will nicht nur badische Weine probieren, sondern auch Weißburgunder aus der Pfalz, von der Nahe, der Saar, aus Rheinhessen (ein Wein aus Sachsen ist leider nicht dabei). Gekauft habe ich sie in Düsseldorf in der Sommelerie von Susanne Fischer, bis auf die Weedenborn-Weine, die ich direkt bei Winzerin Gesine Roll geordert habe.

 

 

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