STREET ART IN PARIS
La Street c’est chic: Paris kann man so sehen – oder so. Bestaunt man mal nicht nur die Auslagen in Schaufenstern oder die Sehenswürdigkeiten, sondern schaut nach oben, entdeckt man an jeder Straßenecke Street-Art, mal witzig, mal als selbstverliebte »Duftmarke«, die das Revier markiert. Klar gibt’s auch große »Murals« in Paris – aber wie in vielen Städten eben nicht gerade im cleanen Innenstadtbereich, wo die sandgestrahlten Fassaden im Nullkommanichts von Graffiti, Stencils, Schriftzügen und anderen Hinterlassenschaften wieder befreit werden, sondern in den Vierteln am Stadtrand, wo Industriebauten an Abrissareale grenzen, Bauzäune und Unterführungen, Hinterhöfe und Sackgassen, Bahnböschungen und Lagerhallen ein bisschen sich selbst überlassen werden. Der Pow!Wow!-Effekt eines Murals ist in einer schäbigen und heruntergekommenen Industriezone sicher enorm eindrucksvoll – im lebendigen Zentrum konkurrieren sie mit Reklamewänden und historischen Mosaikfassaden, Plakaten für Konzerte und Ausstellungen, farbig gestrichenen Fassaden und Kunst im öffentlichen Raum. Ob vandalistische Schmiererei oder humorvolles Paste-up, temporär und vergänglich sind sie fast alle – die Stadt Paris entfernt täglich (!) 650 m2 an Graffiti, das entspricht der Größe eines Tennisplatzes, und rund 4000 Aufkleber (Quelle: Ville de Paris, Manifeste esthétique).
Invasion des Invaders: Aber auch mitten im Zentrum muss man nur mal hochschauen, und schon wimmelt es von öffentlichen Kunst-Kommentaren zur Stadt. Während allerdings Murals politisch oft relativ klar verständlich Position beziehen – zu Migranten oder Gewalt, Frauen oder Minderheiten, ist die Pariser Street Art im Zentrum nicht schrill, riesig und bunt, sondern eher kleinformatig, witzig, augenzwinkernd, manchmal nur ein detailverliebtes Miniaturwerk auf dem Asphalt oder auf einem Straßenschild. Der bekannteste und zugleich berüchtigtste Pariser Street Artist aber heißt Invader – und er macht seinem Namen alle Ehre. Seine Space-Invader- und Pac-Man-Motive bringt er – offensichtlich mit nie nachlassender Begeisterung für sich selbst – gerne an jeder zweiten Hauswand an. Als echte Nervensäge hat er inzwischen über 1000 solcher Werke an den Pariser Hauswänden hinterlassen – aber wer weiß, vielleicht hat er längst »Trittbrettfahrer«. Inzwischen hat dieser geheimnisvolle Künstler weltweit Städte auf allen Kontinenten mit seinen Videospiel-Mosaiken »überfallen«.
Art urbain: Fast ebenso häufig betätigt sich Mr Ride in Peace. Auf derselben Höhe wie Invader seine Mosaiken hinterlässt, installiert der Street Artist Radteile – meist nur Lenker und Vorderrad, oft wie nach einem Unfall verbogen. Gerüchten zufolge arbeitet er tagsüber als Fahrradkurier und will mit seinen Interventionen auf die Risiken und die schwierigen Umstände aufmerksam machen, mit denen Radfahrer in Paris zu kämpfen haben. Gregos, der am Montmartre lebt, verteilt maskenartige 3D-Abdrücke seines Gesichts an den Wänden im 18. Arrondissement, mal mit herausgestreckter Zunge, mal bunt, mal Ton in Ton mit der Mauer. Le Cyclop wiederum hat die Pfähle in der Rue Houdon bunt bemahlt und mit Augen versehen. Clet Abraham versieht Straßenschilder mit humoristischen Kommentaren, Intra Larue, eine der wenigen Frauen in dem noch männlich dominierten Milieu, bringt Abdrücke ihres Busens an – schon im Jahr 2015 sollen es rund 450 in Paris gewesen sein. Ausgesprochen populär ist Jérôme Mesnager, dessen weiße Männer vielerorts zu entdecken sind – hier an der Place de Clichy zusammen mit Giraffe und Schmetterlingen von Mosko et associés. In Belleville, dem Viertel noch »intra muros«, in dem man bei spontanen Fotostreifzügen sicher am meisten Street Art entdecken kann, hat Ben Vautier schon 1993 an der Place Fréhel die haushohe Installation »Il faut se méfier des mots« (kein Trompe l’oeil!) angebracht. Mir gefallen beispielsweise die Pop-Graffiti-Arbeiten von Jo di Bona: Das Beitragsfoto stammt aus der Rue Chapon im 3. Arrondissement (und das letzte Foto im Beitrag vom Montmartre sowie siehe im Beitrag zu Serge Gainsbourg). Dort ist das Webradio »Radio Marais« beheimatet, das wöchentlich die Sendung »Urban Safari« der Street Art widmet. Und so werden die Wände rechts und links von Nr. 60 und der Metallrolladen (das zweite Foto) permanent neu bemalt…
http://www.flickr.com/photos/intralarue/
http://www.lecyclop.blogspot.de