SECHS KOCHBÜCHER VON HUGH FEARNLEY-WHITTINGSTALL
Was die Kochbücher vor den meisten seiner Kolleginnen und Konkurrenten auszeichnet: Gleich welches man von Hugh Fearnley-Whittingstall erwirbt, hier wird man mehr als die üblichen drei Rezepte nachkochen – auf die es im Durchschnitt die internationale kulinarische Buchproduktion im Privatgebrauch bringt. Der 1965 geborene Journalist, in seiner Heimat Großbritannien auch als Fernsehkoch im eigenen »River Cottage« ein Star, füllte mit seinen Rezeptideen eine Zeitlang eine Kolumne im »Guardian«. Als ich noch in einem Münchner Kochbuchverlag beschäftigt war, habe ich mich sehr beim britischen Bloomsbury Verlag um die Rechte an den Kochbüchern von Hugh Fearnley-Whittingstall bemüht – damals noch nicht ins Deutsche übersetzt. Doch zum einen hatte der Schweizer AT-Verlag eine Art Vorkaufsrecht (und tatsächlich erschienen dort nach und nach alle Bücher von HFW), zum anderen war der Vertrieb skeptisch – »keine Kochbücher von Autoren, deren Name deutsche Kunden nicht aussprechen können«, war die Begründung. Nun, für den Verlag war das ein Bestseller weniger… Ich hab mir die Kochbücher also bei der Konkurrenz gekauft, insgesamt sechs Bände. Alle sind mit Fotos von Simon Wheeler und Illustrationen von Mariko Jesse (ein Buch leider nicht) sehr ansprechend bebildert.
Täglich vegetarisch: Aus diesem Band habe ich schon am meisten Rezepte nachgekocht (rund zwei Dutzend so simple wie schmackhafte Gerichte, die ich hier nicht alle aufzählen will) – das liegt einerseits daran, dass alle vegetarisch sind, was nicht für alle Kochbücher von Fearnley-Whittingstall gilt, und andererseits, dass sie weitgehend ohne die üblichen asiatischen Ausflüge auskommen, für die man erst Gewürze kaufen müsste. Im Rückblick schreibt der Autor, er habe bei der Arbeit am Buch festgestellt, »dass Fleisch und Fisch zwar gute, spannende Zutaten sind, die uns beim Kochen aber faul machen. Wenn wir sie weglassen – für einige Zeit oder ein paar Tage pro Woche –, kann sich die kreative Energie in der Fülle der Gemüsegerichte ausleben.« Als es im Jahr 2012 erschien, war mein Bedarf ebenso wie die allgemeine Nachfrage noch groß nach neuen Ideen dafür, Gemüse mal anders zu würzen und Gemüse anders zu kombinieren. Inzwischen gibt es eine Fülle an vegetarischen und Gemüsekochbüchern – der schönste und sinnvollste Trend im Kochbuchmarkt, denn es ist dringend notwendig, dass es wir vom hohen Fleischkonsum runterkommen und es appetitliche Alternativen zum Grillsteak oder Schnitzel gibt. Lieblingsrezepte: »Bohnen-Lauch-Suppe mit Chili-Öl«, »Makkaroni mit Erbsen«, »Gemüse-Biryani«, »Frittata mit Sommergemüse und Ziegenkäse«, »Blumenkohl-Curry mit Kichererbsen«.
Viel mehr vegetarisch: Hier gilt das Gleiche, erneut ein vegetarisches Kochbuch, erneut rund 20 Rezepte ins eigene Repertoire übernommen, keine Fehlgriffe beim Ausprobierten, alles schmeckte. Weil ich ähnlich koche wie HFW, ein engagierter Verfechter der Einfachheit, sind es gar nicht einzelne Rezepte, sondern eher viele Anregungen, die ich aufgreife. Häufiger mit Kapern oder eingelegter Zitrone würzen, mit Mandeln, Walnüssen oder Samen für Biss sorgen, auch zum Frühstück statt Brot lieber kleine Gerichte im Stil von Tapas und Mezze, Rohkost oder Salat zubereiten, statt Gemüse mit Pasta zu kombinieren häufiger Gemüse mit Gemüse, Hülsenfrüchten oder abwechslungsreichen Zutaten wie Buchweizen, Graupen oder schwarzem Reis. Lieblingsrezepte: »Tomatensuppe mit Röstfenchel«, »Gebratener Kohl mit Erbsenpüree«, »Klare Suppe mit Sellerie, Grünkohl, Graupen und Apfel«, »Grüne neue Kartoffeln«, »Neue Kartoffeln, Erbsen und Frühlingszwiebeln«.
Drei gute Dinge auf dem Teller: Man solle es sich beim Kochen nicht unnötig schwer machen, findet HFW. Das Prinzip dieses Kochbuchs entspricht meinem eigenen – bloß keine ellenlangen Zutatenlisten und nicht zu viel Durcheinander auf dem Teller. Für die »Einfachheit beim Kochen« ist die Qualität der Rohstoffe das A und O, Obst und Gemüse müssen so frisch und reif wie möglich sein, Fisch, Fleisch und Käse, Essig und Öl, Kräuter und Gewürze erstklassig. Dogmatisch handhabt Fearnley-Whittingstall das nicht mit den drei (Haupt)Zutaten, mal kommt ein Dressing oder eine Gewürzmischung hinzu, mal Grundzutaten aus dem Vorratsschrank wie Brühe. Im Alltag bewährt haben sich hier unter anderen die Rezepte für »Selleriesuppe mit Rosenkohl und Speck«, »Pasta mit Wirsing und Bratwurst«, und »Fladenbrot mit Fleischbällchen und Dicken Bohnen«.
Täglich Früchte: Ich mag kein warmes Obst in herzhaftem Essen, dachte ich, vermutlich unschöne Kindheitserinnerungen an »süßsaure« Gerichte im Chinarestaurant, die Ananas enthielten und nur süß waren. Das Kochbuch habe ich mir dennoch gekauft, weil die ersten beiden vegetarischen Bände aus meiner Küche nicht mehr wegzudenken sind. Und probiere nun tatsächlich ab und zu ein Rezept daraus aus, es muss ja nicht gerade »Fruchtpizza« sein. Weniger als aus den anderen, aber so langsam freunde ich mich mit der herzhaften Früchteküche an. »Wirsing mit Apfel und Kümmel« oder »Pastinaken mit Pflaumensauce« schmecken mir tatsächlich doch – ein Vorurteil weniger. Und außerdem sind jede Menge tolle süße Rezepte drin, auch für Wildfrüchte, und pikante Salate.
Light & easy: Gesunde Rezepte ohne Weizen und Milchprodukte verspricht das Kochbuch, damit geht es einen Schritt vom bislang verfolgten Konzept – vegetarische Gerichte mit Obst und Gemüse, die weder zeitaufwendig noch kompliziert sind – Richtung gesunder Ernährung, hier sind auch Fleischgerichte enthalten. Denn industriell vearbeitete Milchprodukte und raffinierter Weizen sind, insbesondere im Übermaß, weder gut für unsere Ernährung noch für die Umwelt. Lieblingsrezepte: »Geschmorte Auberginen mit süßsauren Tomaten« und »Brokkoli mit weißen Bohnen«.
Täglich besser essen: Inhaltlich kann man den Eindruck gewinnen, dass der Kochbuchautor hier Präsenz zeigen und ein Thema aufgreifen will, dass gerade en vogue ist, um sein Image ein wenig Richtung Gesundheit zu schieben. So kenntnisreich all seine Ausführungen sind, sie nehmen sehr viel Platz ein, insgesamt 208 Seiten und damit gut die Hälfte des Buchs. Den Rezepten dagegen fehlt es an kulinarischer Substanz – nach fünf dicken Bänden ( und einem weiteren zur Resteküche, das ich nicht gekauft habe) ist das vielleicht kein Wunder. Hier reizt mich fast nichts zum Ausprobieren, bei drei Gerichten ist es bislang geblieben. Auch in der Ausstattung ist das Buch leider eine kleine Enttäuschung, das glatte, gestrichene Papier gefällt mir nicht so gut wie das zuvor verwendete, außerdem vermisse ich die wie Kartoffeldruck wirkenden Gemüsebilder der Illustratorin Mariko Jesse (https://marikojesse.com/cookbooks). Und warum hat der AT-Verlag sein schönes Logo geändert?