SALATKRÄUTER AUF DEM BALKON UND IM GARTEN
Selbst Kräuter ziehen: Nach einem langen Winter freuen sich Hobbygärtner:innen, wenn endlich wieder frisches Grün aus der Erde sprießt. Früher hatte ich drei, vier Töpfe mit Kräutern auf der Fensterbank, Basilikum, Salbei, Thymian oder Rosmarin. Seit ich Balkon-Besitzerin bin und gerade die gängigen Küchenkräuter ohnehin auf dem Markt bekomme, halte ich Ausschau nach Besonderem. Letztes Jahr waren das Schnittsellerie und Schnittfenchel, Zitronenthymian, Majoran und kleinblättriges Basilikum, dieses Jahr kommen noch essbare Blüten (Borretsch, Kapuzinerkresse) dazu. Ausgesät habe ich zudem auch Kerbel, Ysop, Liebstöckel. Wer auf dem Balkon oder im Garten gern Kräuter heranziehen möchte, sollte drei Dinge beachten: Auf Kräutersamen in Bioqualität, das Saatgut sollte von ökologisch zertifizierten Betrieben stammen und samenfest sein. Die Tütchen im Discounter gehören nicht dazu.
Die Saat geht auf: Auf Samenbörsen werden samenfeste Sorten getauscht oder gehandelt, um Biodiversität zu erhalten. Denn dass die großen Agro-Unternehmen Patente auf Pflanzen anmelden und immer mehr Bauern mit hybriden Pflanzen arbeiten, die sich nicht mehr selbst aussäen, sondern jedes Jahr erneut bei eben jener Agro-Industrie gekauft werden müssen, ist ein Teil des Problems. Samenhändler wie »sperli«, 1788 gegründet in Quedlinburg und damit eines der ältesten Unternehmen in der Saatgutbranche, berufen sich auf Tradition und Erfahrung, doch auch sie reagieren auf Trends und so kann man in den Kategorien »Bio« oder »Samenfest« gezielt nach Saaatgut suchen. Auch neugegründete Anbieter wie Saat & Gut gibt es, auf deren Tütchen teils »Alte Sorte« steht, aber ob das nur Marketing-Sprech wie bei der »Urmöhre« (eine moderne Hybridzüchtung) ist, bleibt unklar. Deutlich transparenter, was ihre Züchter und Qualitätsstandards sowie Herkunft und Sorten der Samen angeht, ist die Bingenheimer Saatgut AG, der faire Kundeninformation ein Anliegen ist. Also eine eindeutige Empfehlung für den Bezug von Kräuter-, Blumen- oder Gemüsesamen.
Alte Kräutersorten und Raritäten: Statt selbst auszusäen, ist die andere Möglichkeit, Jungpflanzen zu kaufen. Da ist beim Topf Basilikum aus dem Supermarkt wenig über Herkunft, Sorte und Anbau zu erfahren. Wer dagegen beispielsweise bei einer Gärtnerei wie Gaissmayer im Webshop die Kräutersorten betrachtet, kann die gängigen Küchenkräuter in Bioqualität bestellen, hat in der Rubrik »Kräuterraritäten« die Wahl zwischen Bananen-Minze, Korsischer Polsterminze, Griechischer Minze, Bernstein- und Orangenminze. Ebenfalls nicht in jedem Gartencenter vorrätig: Limonen-Ysop, Japanische Purpur-Petersilie, Schottischer Liebstöckel, Bolivianischer und Vietnamesischer Koriander oder Marzipan-Gewürzsalbei. Dazu kommen Tee- und Heilkräuter, Räucherkräuter und essbare Blüten – ein ungewöhnlich breites Kräutersortiment. Daneben bietet die Gärtnerei Gaissmayer (in Illertissen) auch Biosaatgut für Küchenkräuter an.
Arche des Geschmacks: Schon lange bin ich Mitglied bei Slow Food, deren Arche des Geschmacks sich um Schutz für vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen und Kulturpflanzen bemüht. Ich interessiere mich besonders für alte Gemüsesorten und für Streuobstwiesen und habe in Artikeln schon bedauert, dass sich etwa die heimische Apfelvielfalt nicht nur im Supermarkt auf drei bis fünf Sorten reduziert, sondern auch in Anbaugebieten wie am Bodensee. In Deutschlands zweitgrößtem Obstanbaugebiet gibt es zwar Äpfel, so weit das Auge blickt, aber nur noch wenig Streuobstwiesen – bis Ende der 1970er-Jahre vollzog sich die fast komplette Umstellung auf Spalierobst in langen Reihen. Zwar bieten hier viele Apfelhöfe, »Obstwägele« und »Hoflädele« knackige Vitaminspender aus eigenem Anbau, doch die bäuerliche Direktvermarktung ist nicht automatisch gleichzusetzen mit großer Sortenvielfalt (und schon gar nicht mit »bio«): Die rund 1200 Obstbauern am Bodensee ernten vor allem Elstar, Jonagold, Gala und Braeburn – über 240.000 Tonnen auf mehr als 7500 Hektar Anbaufläche (2020). Um die Biodiversität alter Apfelsorten wie Roter Zollker kümmern sich am Bodensee dagegen vor allem die Obstbrenner. In der Arche des Geschmacks sind vorwiegend Getreide-, Obst- und Gemüsesorten vertreten, leider bislang keine Kräuter, es sei denn, man will die Brunnenkresse aus der Erfurter Klinge, eigentlich ein Blattgemüse, dazu rechnen.
www.bingenheimersaatgut.de
www.gaissmayer.de/web/gaertnerei/
www.sperli.de/produkte/bio/
https://www.saat-und-gut.de/kraeuter/alte-sorten/