ROSÉ IM WINTER

Sommerwein: Rosé gilt als unkomplizierter Terrassenwein, den vor allem Frauen trinken, Wein-Neulinge, junge Leute, Partygäste. Für Weinkenner also nicht so ganz ernst zu nehmen… Kein richtiger Weißwein, schon gar kein richtiger Roter – nicht Fisch noch Fleisch. Jahrzehntelang kam Rosé in Weinbüchern gar nicht vor, es sei denn, der Autor widmete einen Teil seiner Ausführungen – etwa in einem Weinatlas – der Provence. Doch rümpft der kultivierte Weinsnob gleich verächtlich die Nase, so Weinpapst Hugh Johnson: In der Provence müsse man noch immer »zu den Erzeugnissen aus Bordeaux, Burgund und anderen Gegenden Frankreichs Zuflucht nehmen«. Vom »schweren, trockenen, ziemlich langweiligen Rosé [..], der meist an Ort und Stelle von anspruchslosen Touristen konsumiert« werde, hält er erst recht nichts. Einschätzungen dieser Art waren früher die Regel, in letzter Zeit dagegen erfreut sich Rosé nicht nur zunehmender Beliebtheit, er hat teils auch gewaltig an Qualität gewonnen.

Wein ausbluten: Beim sogenannten Saignée-Verfahren (von frz. saigner = bluten) wird während der Maischegärung ein Teil des Mosts für die Produktion von Rosé abgezogen. Die roten Trauben werden dafür nach der Lese zunächst entrappt, also von den Stielen befreit. Anschließend kommen die Trauben in einen Gärbehälter, mitsamt Schale, Fruchtfleisch, Traubenkernen und dem austretenden Saft. Dieser Maische werden Hefen zugesetzt, um die alkoholische Gärung in Gang zu bringen – dieser Prozess wird in der Fachsprache Mazeration genannt. Nach ein paar Stunden wird das Saftverhältnis der Maische verändert, indem ein Teil des Mosts – meist 10–15 Prozent der Gesamtmenge – »abgezogen« wird. Durch die Reduzierung konzentriert sich der Anteil an Gerbstoffen und Farbpigmenten im verbleibenden Rotweinmost, so dass man aus denselben Trauben einen fruchtigen leichten Rosé und einen kräftigen, schweren, aromareichen Rotwein erzeugen kann.

Winterrosé: Auch meine drei Württemberger Lieblingswinzer produzieren ausgesprochen guten Rosé. Immer in unserem Weinkeller vorrätig und im Sommer schnell ausgetrunken sind der Rosé vom Weingut Karl Haidle, ein Cuvée aus Spätburgunder und Schwarzriesling, und der Bentz Rosé vom Weingut Aldinger, ebenfalls ein Cuvée. Da letzterer im Saignée-Verfahren hergestellt wird, kann man sich sicher sein, dass die Basis von höchster Lesequalität ist, schließlich werden für einen Spitzenrotwein nur die besten Trauben verwendet! Nebel mag ich, doch an einem neblig-grauen Tag im Dezember greife ich nicht unbedingt zum selben kühlen, frischen Rosé, wie er an Sommertagen zu Terrasse, Balkon und leichter Küche oder Picknick passt. In der kalten Jahreszeit öffne ich lieber einen Winterrosé, mein Tipp ist der Steinmergel Pinot Noir Rosé von Markus Heid, den der Fellbacher Winzer aus 100 Prozent Spätburgunder zur Hälfte in Edelstahl und zur Hälfte im gebrauchten Barrique keltert. Der lachsfarbene, kräftige Wein ist cremig und beerenfruchtig. Uns schmeckt er solo, er passt aber auch zu Ziegenkäse, Rindercarpaccio, Pasteten und Terrinen, zu gebratenem Fisch oder zu süß-scharfen Gerichten.

Pinkfarbener Mädchenwein: Selbst ein rosarotes Vergnügen ist Rosé nicht mehr, immer blasser wurden die Farbtöne der Weine in den letzten zwei Jahrzehnten. Zarte Pfirsich-, blässliche Apricot- und helle Rosentöne kommen bei Kunden besser an als dunkelfruchtige, kräftige Beerentöne. Je dunkler, desto schwerer verkäuflich, sagen Winzer. Welche Nuance der Wein erhält, hängt von der Rebsorte ab sowie von der Zeit, die der Saftabzug auf der Maische verbleibt (und bei welcher Temperatur). In Südfrankreich setzen Winzer inzwischen häufig auf die »pressurage direct«, bei der die Trauben unmittelbar nach Lese gepresst werden, um bei der Vinifikation »moderne«, also möglichst helle Rosés zu erzeugen. Ein Trend, bei dem die Provence mittlerweile zum Vorreiter und Vorbild wurde – auch für die Winzer im Bordelais oder in Burgund.