REGINE ROMPA: UNSER HOF IN DER BRETAGNE
Ein sinnvolles Leben: Nach einem Gespräch abends in der Pizzeria und bei einer Flasche Rotwein auf dem Balkon entschließen sich Regine und ihr Freund Anton von einem Tag auf den nächsten, ihre Jobs zu kündigen, ihre Wohnung zu verkaufen und aus Berlin wegzuziehen, um ein freieres, verantwortungsvolles und nachhaltiges Leben zu führen. Wie das genau gehen soll, steht da noch gar nicht fest, nur, dass sich etwas ändern muss. Zunächst machen sich die beiden im Wohnmobil auf den Weg ins Unbekannte. Das Ziel: sich selbst zu versorgen, den Sinn des Lebens zu finden, im Einklang mit der Natur und Tieren zu leben. Aussteigerträume. Doch statt eines Schwarzwaldhofs wird es ein abgelegener Hof in der Bretagne, mitten im Grün, mit Wiesen und Wald.
Sparsam und ökologisch: Das Buch von Regine Rompa über ihren Neuanfang im Westen Frankreichs ist im April im Rowohlt Verlag erschienen. Humorvoll, anrührend und informativ bringt die Autorin den Leserinnen und Lesern ihr neues Landleben näher – ein Leben ohne öffentlichen Nahverkehr, Bringdienste, Cafés oder Kinos, ohne Kanalisation und Müllabfuhr, dafür mit einem alten Steinbrunnen, Rehen im Garten und 13.000 Quadratmeter Land. Einfach ist das nicht immer, aber auch keine Katastrophe, wenn der Strom mal drei Tage ausfällt, das Reetdach oder der Kamin repariert werden müssen. Erstaunlich freundliche Nachbarn wissen Rat und unterstützen mit tatkräftiger Hilfe, obwohl die Bretonen eigentlich als verschlossen und zurückhaltend gelten.
Projekt Selbstversorger: Regine und Anton sprechen anfangs kaum Französisch. Und sie haben keine Ahnung von Landwirtschaft … Doch schon mit dem ersten Obst und Gemüse aus eigenem Anbau gelingt es ihnen, weitestgehend zu Selbstversorgern zu werden. »Wir fuhren so selten zum Supermarkt, dass es mir irgendwann merkwürdig vorkam, durch die langen Regale zu laufen. So viele Lebensmittel, in bunten Packungen versteckt, bei den eigentlich kein Mensch weiß, was da alles drin ist! […] Auch der viele Verpackungsmüll erschien mir jetzt idiotisch. Am schrägsten fand ich die Produkte für die Mittagspause in den Kühlschränken neben dem Gemüse. Geschälte Bananen eingeschweißt in Plastik! Geht’s noch?« Besonders gut hat mir gefallen, was die beiden alles auf die Beine stellen: ein Gewächshaus bauen, mit einem Wildtierschutzgebiet die Jagd – in Frankreich sakrosankt – auf ihrem Land verbieten, verletzte Tiere retten, die bretonischen Tänze mittanzen, Wanderwege instandhalten und mehr. Um Französisch zu lernen, bleibt nichts unversucht, Privatstunden via Skype und mit Freundinnen, Kaffeekränzchen in der Nachbarschaft, Gespräche mit Handwerkern, Wort-für-Wort-Übersetzungen von Briefen, französische TV-Serien auf dem Laptop anschauen. Und weil Regine Rompa gut schreiben kann (ich habe mir das Buch aufgrund einer Leseprobe im Netz gekauft), entwickelt das Buch geradezu einen Sog. Sodass man sich selbst für die bürokratischen Herausforderungen – Bankkonto eröffnen, Krankenversicherung –, Töpferkurse oder Hühnerspielzeug interessiert wie für den ersten Frost und den ersten Besuch aus der Heimat.
Mutmacher: Die besten Entschlüsse entstehen vielleicht spontan (meine Schwester ist ähnlich kurzentschlossen nach Andalusien gezogen). Vielleicht kann man so grundlegende Veränderungen wie Auswandern oder Job kündigen, die auf den ersten Blick der Vernunft zu widersprechen scheinen, nach monatelangem, rationalem Abwägen der Vor- und Nachteile gar nicht mehr in Angriff nehmen. »Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.« Ich empfehle als Sachbuch dazu auch »Bauchentscheidungen« von Gerd Gigerenzer über die »Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition«!
Regine Rompa, Unser Hof in der Bretagne. Neuanfang zwischen Beeten, Bienen und Bretonen, Rowohlt Polaris, ISBN 978-3-499-634260, 16 Euro
https://www.rowohlt.de/paperback/regine-rompa-unser-hof-in-der-bretagne.html
Foto: @ Pénélope Secher