RAUCHEN IN FRANKREICH

Rauchen ist in? Tabakläden erkennt man in Frankreich an ihren rautenförmigen Leuchtreklamen. Schon seit mehr als hundert Jahren, seit Beginn des 20. Jahrhunderts, müssen die »bureaux de tabac« eine lange rote Raute über ihrem Geschäft an die Fassade schrauben. »Karotte« wird sie genannt, weil in früheren Jahrhunderten Tabakblätter zu schmalen Bündeln gerollt wurden. Man sieht das Signet variantenreich in den Straßen von Paris, denn Zigarettenautomaten gibt es nicht in Frankreich. A propos französische Vorliebe für Großbuchstaben: Die einzige rote Raute mit Kleinbuchstaben habe ich im 16. Arrondissement entdeckt. Aber wo darf man eigentlich noch rauchen in einer Stadt, in der Café und Glimmstengel einst zum Kulturerbe zähl(t)en und nationale Ikonen wie Serge Gainsbourg nie ohne Fluppe zu sehen waren? Nach dem Tod des Gitanes-Liebhabers, der bis zu fünf Schachteln am Tag rauchte, kamen sogar vier seiner Zigarettenkippen unter den Auktionshammer. Die filterlosen Gauloises und Gitanes waren sozusagen Ausdruck der französisches Coolness: »T’es ma gitan’ et ça m’ suffit«, sang der Chansonnier Léo Ferré, etwas doppeldeutig. Heute rauchen Franzosen und Französinnen etwa genauso viel wie Deutsche. In beiden Ländern sind allerdings – wohl aufgrund der Pandemie – die Zahlen wieder gestiegen: Der jüngsten EU-Statistik zufolge lag ihr Anteil Ende 2021 bei knapp 32 Prozent (Baromètre de Santé Publique France), gegenüber knapp 31 Prozent der deutschen Bevölkerung wie aus der repräsentativen Langzeitstudie »Deutsche Befragung zum Rauchverhalten« (Debra) hervorgeht.

Rauchen ist out! Wie viele andere Länder auch versucht die französische Regierung, aus Gesundheitsgründen Menschen vom krebserregenden Rauchen abzubringen, indem sie Werbung verbietet und Steuern erhöht. Mit Preisen zwischen um zehn Euro pro Schachtel, je nach Marke, liegt Frankreich in Europa im Spitzenbereich. Nach Großbritannien und Spanien trat 2008 auch in Frankreich ein Rauchverbot in Kraft, das neben öffentlichen Gebäuden (Bahnhöfe und Flughäfen, Schulen, Krankenhäuser und Arbeitsstätten) nun auch auf Hotels, Restaurants, Cafés, Bars, Tabakläden, Casinos und Diskotheken ausgeweitet wurde. Den Hinweis »Défense de fumer« oder »Interdiction de fumer« (Rauchen verboten) wird man also recht oft sehen. Das Rauchen ist nur noch auf Terrassen von Cafés und Lokalen erlaubt, die nicht überdacht sind oder eine offene Front ins Freie aufweisen. Drinnen ist die Einrichtung einer Raucherzone gestattet, eine Bedienung durch das Servicepersonal oder anderweitige Dienstleistungen dürfen in diesem Bereich aber nicht gewährleistet werden (die Annahme, dass auch alle Gastronomen sich daran halten, hält näherer Betrachtung nicht stand).

Von Brunes zu Blondes: Bis in die 1970er-Jahre produzierte die Seita (Société d’exploitation industrielle des tabacs et des allumettes) die Zigarettenmarken Gitanes, Gauloises und weitere sowie Pfeifen- und Drehtabak als staatliche Monopolistin. Schon Mitte der 1980er-Jahre musste sich die Seita (1995 privatisiert und heute Teil des britischen Weltkonzerns Imperial Brands) den wechselnden Zeiten anpassen: Zu den wahren französischen Zigaretten, den »brunes« mit dunklem, starkem Tabak, lancierte sie die helleren Gauloises blondes. Das hielt den Niedergang nicht auf, immer mehr nationale Zigarettenwerke schlossen, von Nancy und Pantin bei Paris schon 1981 über Orléans, Lyon, Marseille, Dijon bis zu Châteauroux und Périgueux. Nach der Jahrtausendwende folgen weitere Fabrikschließungen, unter anderem in Straßburg und in Lille, womit 2005 auch die Produktion der »brunes« in Frankreich ganz eingestellt wurde (und nach Polen wanderte). Waren es vor der Privatisierung noch mehr 30 Werke, sind es heute nur noch drei – in Riom in der Auvergne, auf Korsika und unweit von Nantes. Ähnliche Zahlen gibt es für den Anbau des Grundstoffs von »blauem Dunst« in Frankreich: Vor dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1925, waren es 41.000 Tabakbauern, zur Hochzeit 1954 gab es 107.000 »planteurs de tabac«, heute nur noch rund 2000. Weltweit hat sich die Menge des geernteten Tabaks gleichzeitig vervielfacht, vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer produzieren Rohtabak. Für Frankreich ist das ökologisch gut, denn die Tabakpflanze braucht enorm viel Wasser und Pestizide und laugt die Böden aus, global ein nicht zu unterschätzendes Problem.

Kampf den Kippen: In Paris hat die Stadtverwaltung auch den weggeworfenen Zigarettenstummeln auf der Straße den Kampf angesagt. Laut Schätzungen des Rathauses landen jeden Tag zehn Millionen Kippen auf Bürgersteigen und in Straßenrinnen – rund 350 Tonnen pro Jahr muss die Stadt entsorgen. In ihrer Statistik gab die Police municipale an, sie habe 2022 im Durchschnitt täglich sieben Strafzettel ausgestellt. Wer beim Wegwerfen seiner Zigarette erwischt wird, muss frankreichweit inzwischen 135 Euro bezahlen – die Strafe wurde zuletzt verdoppelt. Ein 2020 verabschiedetes Kreislauf- und Antiverschwendungsgesetz (»loi anti-gaspillage pour une économie circulaire«) verpflichtet die Tabakindustrie dazu, jährlich 80 Millionen Euro zur Beseitigung der biologisch nur schwer abbaubaren Kippen, Reinigung öffentlicher Plätze und für Kampagnen zur Sensibilisierung der Menschen beizusteuern. Ziel ist aber, die Zahl der weggeworfenen »mégots« bis 2026 um 40 Prozent zu reduzieren.

Paris Rauchen Frankreich

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Paris Tabac Kleinbuchstaben

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