PFÄLZER KÜCHE
Traditionell und deftig: Die Pfälzer schätzen es herzhaft und essen gerne Fleisch – der »Pfälzer Teller« vereint zum Sauerkraut gleich alle drei Klassiker, Saumagen, Bratwurst und »Lewwerknepp« (Leberknödel). Helmut Kohl, ein großer Liebhaber des Traditionsgerichts, hat die kulinarische Spezialität der Pfalz international bekannt gemacht, den Saumagen. Im Deidesheimer Hof ließ er ihn gerne Staatsgästen auftischen, François Mitterrand, Michail Gorbatschow, Margaret Thatcher und anderen. Entgegen einem verbreiteten Vorurteil hat der »Saumaache« allerdings nichts mit Innereien zu tun, sondern dient nur als Hülle einer Brüh- und Bratwurst. Gefüllt wird mit grobem und feinem Wurstbrät und gekochten, gewürfelten Kartoffeln, im Herbst auch mit Esskastanien, alles gut gewürzt mit Majoran, Koriander, Muskatnuss, je nach individueller oder familiärer Variante. Gegessen wird der Saumagen frisch gebrüht aus dem Kessel oder in fingerdicken Scheiben gebraten. Der Frage, wer den besten Saumagen macht, geht alljährlich der »Internationale Saumagenwettbewerb« nach: Die Fleischer-Innung lädt Profis aus Metzgereien und Gastronomie wie auch Hobbyköche zum Wettbewerb, die Siegerehrung findet in Landau statt – in drei Kategorien (www.saumagenwettbewerb.de). Ob Saumagen, Lewwerknepp – mit viel Leber – oder Bratwurst, zumeist werden die Traditionsgerichte mit frischem Sauerkraut und Brot serviert.
Wurst und Durst: Pfälzer Gerichte sind meist recht deftig und bodenständig – nicht zuletzt deshalb, weil die traditionellen Rezepte aus Zeiten stammen, als schwere körperliche Arbeit noch weit verbreitet war. Als Vespermahlzeit oder bei Wandertouren steht der Pfälzer Dreiklang »Weck Worschd und Woi« weiter hoch im Kurs. Zur traditionellen Pfälzer Hausmannskost zählen außerdem »Fläschknepp« (Fleischklöße), die anders als Buletten oder Frikadellen nicht gebraten, sondern in Brühe gekocht und mit Meerrettichsauce aufgetischt werden. Zur zünftigen Vesper gehört unbedingt gut gewürzte »Lewwerworscht« (Hausmacher-Leberwurst mit Majoran). In den Pfälzerwald-Hütten gibt’s beim Aufschnittteller auch »Grieweworscht« (Blutwurst), Schwartenmagen oder »Brodworscht« (Bratwurst) zum Bauernbrot. Denn luftgetrocknete Bratwürste ähneln Landjägern oder Pfefferbeißern und sind perfekt als Proviant für Wandertouren. Bei den Metzgereien der Region ist die Hausmacherwurst oft auch in Dosen zu bekommen, also gut zum Mitnehmen nach Hause geeignet. Einigen haben sogar Dosenautomaten aufgestellt, zum Beispiel Kieffer in Bad Bergzabern oder Süss in Weisenheim am Sand – dort kann man sich auch außerhalb der Öffnungszeiten mit Wurstspezialitäten versorgen.
Kartoffeln und Knödel: Eine tragende Rolle spielt auch die vielfältig verwertbare »Grumbeere« (Kartoffel), mal rustikal als Kartoffelsuppe mit Speck und »Kracherle« oder etwas aufwendiger als mit Leberwurst gefüllte Kartoffelknödel. Der »weiße Kees«, also der mit Zwiebeln und Kräutern angemachte Quark, steht häufig auf den Speisekarten der Wanderhütten, dazu gibt es »Gequellde« (Pellkartoffeln). Fast überall können »Gebreedelde« (Bratkartoffeln) als Beilage bestellt werden; mit Blut- und Leberwurst vermengt und mit einem Spiegelei serviert, sättigt das Winzermahl auch als Hauptgericht. Typisch Pfalz ist »Grumbeersupp un Quetschekuche« – zur herzhaften und heißen Kartoffelsuppe gibt es (kalten) süßen Zwetschgenkuchen. Was auf den ersten Blick unvereinbar scheint, schmeckt köstlich. Daneben haben Mehlspeisen einen festen Platz auf den Speisekarten der Region, feine Spinatknödel in Kräuterschaum, deftige Leberknödel mit Zwiebel-Rahm-Sauce oder Dampfnudeln mit knusprigem Boden und aromatisch-herber Weinsauce (die Hefeteigspezialität wird in Milch gekocht und mit Vanillesauce und Obstkompott aber als süßes Hauptgericht serviert). Den elsässischen Flammkuchen haben die Pfälzer Gastronomen gern von den französischen Nachbarn adaptiert – er steht vielerorts auf der Speisekarte,
Feine Küche: Nach wie vor kann man in der Pfalz gut der »Fleischeslust« frönen, doch das Derbe in großen Portionen ist nur die eine Seite, neben dem Deftigen hat auch das Feine Platz. Und da wird’s richtig spannend! Dank dem milden Klima wachsen viele Früchte und Gemüse in der Pfalz, und diese wiederum bieten kreativen Köchen unendliche Möglichkeiten, die auch Feinschmecker glücklich machen. So verleugnet die moderne Pfälzer Küche ihre regionalen Wurzeln nicht, wächst aber über sie hinaus – und bietet mit Raffinesse abgewandelte, oft mediterran, französisch oder asiatisch angehauchte Genüsse. Dann verfeinern Kartoffeln das Dressing für bunte Blattsalate, fürs feine Carpaccio mit Vinaigrette wird der Saumagen hauchdünn aufgeschnitten, der Zander auf Bärlauch-Espuma serviert, die Elsässer Gans sous-vide gegart. Von den saisonalen Zutaten lassen die Köche sich zu feinsten Leckereien inspirieren, wenn im Frühjahr zur Zeit der Mandelblüte die Landschaft in eine rosa Wolke gehüllt ist, zu Eis, Gelee, Sirup, Cremetörtchen und Pralinen. Im Mai ist die Zeit für heimischen Spargel, der auf den Sandböden der Rheinebene angebaut wird, für knackige Salate und frische Erdbeeren. »Pälzer Riwwelkuche«, ein wunderbarer Streuselkuchen, wird mit Hefeteig zubereitet, im Sommer landen die Kirschen im »Kerscheplotzer«, für manche ein süßes Hauptgericht. Im September locken Gerichte mit Pfifferlingen und Steinpilzen, Feigen und Walnüssen, von Oktober bis Mitte November prägen Esskastanien, die hier »Keschde« heißen, auf vielfältige Weise die Speisekarten – als »Pfälzer Keschdesupp« (Kastaniensuppe), im Saumagen, als Kastanienbrot.