PARISER PARKS: JARDIN DES PLANTES

Ab in die Botanik: Zu Fuß von den Alpen in die Tropen spaziert man in wenigen Minuten! Im Jardin des Plantes kein Problem, zumindest was die Pflanzenwelt betrifft. Seit bald 400 Jahren gibt es den botanischen Garten in Paris: In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde er unter König Ludwig XIII. auf Anregung seiner Leibärzte als königlicher Garten für Heilkräuter angelegt und schon 1640 für die Öffentlichkeit freigegeben. Neben einem kleinen Labyrinth und einer Menagerie (die Eintritt kostet), gepflegten Alleen und farbenprächtigen Blumenrabatten gibt es nicht nur zahlreiche echte Exoten und alte Baumriesen, sondern auf dem fast 24 Hektar großen Gelände auch schöne historische Gewächshäuser aus Glas und Eisen.

Der französische Garten: Wer den Botanischen Garten von Gare d’Austerlitz oder Seine kommend betritt, bewundert zuerst die Zentralperspektive – rund 500 Meter weit reicht die Sichtachse über Grün und bunte Blüten bis zur Grande Galerie. Im Frühjahr und im Herbst wird die Bepflanzung der weitläufigen Esplanade mit Blumen ausgetauscht, jährlich anders, sodass beim Spaziergang mal ein wogendes Mohnfeld, mal Tulpen und Narzissen für Farbe im formalen Teil der Gartenanlage sorgen. Seitlich wird die elegante Anlage von Alleen mit hohen alten Platanen gesäumt, »taillés en rideau«, deren Laubwerk regelmäßig zum Vorhang gestutzt wird, wie der charmante französische Begriff für den regelmäßigen Formschnitt lautet. Eine Skulptur erinnert an Buffon (1707–1788), den wohl bekanntesten unter den illustren Naturforschern, die den Jardin des Plantes leiteten. Eingerahmt wird der Park von den Gebäuden des Naturhistorischen Museums. Mit fast einem Dutzend botanischer Bereiche, zu denen ein ökologischer Garten, ein Rosengarten und ein Irisgarten gehören, gibt es viel zu entdecken im Jardin des Plantes. So gelang es in den 1930er-Jahren, einen Alpingarten mit Hochgebirgspflanzen aus verschiedenen Regionen der Welt anzulegen, von den Pyrenäen bis zum Himalaja, von Korsika bis zum Kaukasus.

Die Botanische Schule: Ich habe dieses Mal der sogenannten »École de botanique« genaueres Augenmerk gewidmet und dort blühenden Buchweizen entdeckt, viele Kräuter und Blattgemüse wie Portulak (frz. »pourpier«). In dieser Pflanzenschau sind rund 4500 sorgfältig mit Namensschildchen versehene Gewächse zu entdecken, teils nach Arten präsentiert, teils nach ihrer Nutzung. Interessant sind beispielsweise die Färbepflanzen und die medizinisch verwendbaren Arzneimittelpflanzen. Für den Bereich der alten Gemüse- und Kräutersorten zeichnet die Ferme de Sainte-Marthe verantwortlich, die ich hier auch schon für den Bezug von Bio-Saatgut empfohlen habe, denn ihre Mitarbeiter bemühen sich schon seit rund vier Jahrzehnten um den Erhalt vom Aussterben bedrohter Planzen, indem sie Samen von so vielen Arten wie möglich sichern.

Die Bäume: Ein ruhiges Plätzchen ist die Bank unter der 1734 gepflanzten, 20 Meter hohen Libanonzeder am westlichen Eingang, die zu den ältesten Bäumen von Paris gehört. Unter den historischen Bäumen im botanischen Garten haben einige schon mehrere Jahrhunderte überdauert, manche stammen aus Samen, die von weither nach Paris geschickt wurden. So stammen ein Kreta-Ahorn (Acer orientalis) und ein Pistazienbaum (Pistacia vera) aus Saatgut, das Joseph Pitton de Tournefort (1656–1708) im Jahr 1702 von einer naturkundlichen Expedition in die Ägäis und die Levante mitbrachte. Im Auftrag des Sonnenkönigs Ludwig XIV. war der französische Botaniker über zwei Jahre auf seiner Forschungsreise unterwegs und brachte rund 1350 Pflanzenarten mit, die er in seinem umfangreichen Werk »Institutiones rei herbariae« verzeichnete und genau beschrieb. Den Samen für einen mächtigen Honigbaum (Sophora japonica) vor der Galerie der Mineralogie wiederum schickte Bernard de Jussieu aus Asien im Jahr 1747 nach Paris, 30 Jahre später blühte dieser zum ersten Mal. Zu den ältesten Bäumen zählen außerdem eine 1636 gepflanzte Robinie (oder Falsche Akazie) vor der Botanik-Galerie, eine korsische Kiefer (1784), ein Judasbaum (1785) und eine Taboreiche (1814).

Die Gewächshäuser und das Labyrinth: Das Art-Deco-Glashaus, auch Jardin d’hiver (Wintergarten) genannt, ist etwas neueren Datums (1937), die beiden eckigeren Gewächshäuser wurden Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut (. Sie schützen tropische Pflanzen und Orchideen, Kakteen und Sukkulenten. Diese beiden zählen zu den ältesten Eisen-Glas-Konstruktionen der Welt, denn sie entstanden 1833–1837 und sind damit noch älter sind als das viktorianische Palmenhaus aus den 1840er-Jahren in den Kew Gardens. Der Architekt Charles Rohault de Fleury (1801–1875) war drei Jahrzehnte lang für das Muséum d’histoire naturelle tätig; nach seinen Plänen wurden auch die Galerie für Mineralogie und Geologie erbaut. Die Glashäuser zeigen sein Interesse an neuartigen Konstruktionsweisen, klassischer waren seine Privatvillen und Stadtpalais für wohlhabende Privatiers oder die Gebäude rund um den Arc de Triomphe (in Zusammenarbeit mit Hittorf). Zeitgenossen wie Joseph Paxton (1803–1865), von dem die Entwürfe für den berühmten Kristallpalast stammen, haben sich wohl mit der Arbeit dieses Pioniers vertraut gemacht. Als rekordverdächtig gilt auch die »Gloriette von Buffon«, die als kleines Belvédère oben auf dem rund 15 Meter hohen Hügel des Labyrinths thront. Der kleine Pavillon von Edme Verniquet (1727–1804) aus dem Jahr 1788 gilt als eines der ältesten Metallbauwerke der Welt, zusammen mit der Iron Bridge in England, der ersten gusseisernen Bogenbrücke.

Jardin des Plantes: Den Titel gab der französische Autor Claude Simon (1913–2005) einem seiner Bücher mit unverbunden nebeneinander gesetzten Erinnerungsbildern, den der DuMont Verlag als Roman kennzeichnet. Als der auf Madagaskar geborene und in Perignan aufgewachsene Schriftsteller, der zu den Vertretern des »Nouveau Roman« gezählt wird, 1985 den Literaturnobelpreis erhielt, war von seinen früher bei Piper, Luchterhand und Rowohlt erschienenen Büchern kein einziges lieferbar. Seither kam sein Werk in deutschen Übersetzungen von Eva Moldenhauer im Kölner Verlag heraus. Das Alterswerk »Jardin des Plantes« erschien 1997, und seinen Titel erhielt es nicht, weil der botanische Garten darin eine größere Rolle spielt, sondern wohl auch, weil Claude Simon in der Nähe wohnte und in den Alleen fast täglich spazieren ging. Wie so oft in seinen Büchern gibt es keine Handlung im klassischen Sinn und keine lineare Erzählstruktur, sondern wiederkehrende, verschachtelt montierte Themen wie Krieg, Paris unter der deutschen Besatzung, Literatur, Reisen, explizit Autobiografisches. So ungeordnet die assoziativ oder unvermittelt, verschränkt oder kontrastierend auf einander folgenden Textfragmente zu Beginn der Lektüre wirken, am Ende ergänzen sie sich zu einer vielstimmigen Komposition.

Place Valhubert oder Rue Cuvier (5e), Métro: Gare d’Austerlitz, www.jardindesplantesdeparis.fr/fr

Paris Jardin des Plantes

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