MANDELBAUMS KLEINE GOURMANDISEN: ERBSE, QUITTE, ROTE RÜBE
Give peas a chance: Saisonal passt das Buch nicht so ganz, zum Erbsen-Hype aber sehr gut: Die Hülsenfrucht ist seit einiger Zeit im Sommer wieder frisch und noch in der Hülle zum Palen erhältlich. Was über Jahrzehnte scheinbar bequem war – Erbsen aus der Dose oder der Tiefkühltruhe – ging auch mit geschmacklichem Verlust einher –; erst wer knackige junge Erbsen roh aus der Hülse »genascht« hat, weiß, warum sie Zuckererbsen heißen. Seit ich Runzelkartoffeln mit Erbsen-Pesto (aus einem anderen Kochbuch) mit frischen Erbsen zubereitet habe, bin ich von der Erbsen- und Risibisi-Hasserin zur Erbsen-Freundin mutiert. Also habe ich gleich zugegriffen, als die Buchhandlung meines Vertrauens die Neuerscheinung gerade ins Regal einsortierte – schwupps, schon wieder weg. In der Reihe des Mandelbaum Verlags hat Eva Derndorfer den Band über die Erbse geschrieben – immerhin schon Nummer 32 und gerade im September 2020 erschienen. Ohne Fotos, nur mit kurzweiliger Kulturgeschichte und Botanik zu jeweils einem Lebensmittel, geht es in der zweiten Hälfte um die Rezepte (in diesem Band erfreulicherweise allesamt fleischfrei). Auch Eva Derndorfer empfiehlt die Kombination von Kartoffeln und Erbsen und als weitere Gemüsepartner Spargel (ja, stimmt!), Pilze, Karotten, Auberginen (Bedenken?) und Kürbis. Meine Favoriten zum Ausprobieren: Erbsen-Guacamole, Erbsen-Risotto, Farinata. Kleine Nachbemerkung: Der eigentliche »Hype« ist allerdings, so Derndorfer, dass viele Fleischersatzprodukte auf Erbsenprotein basieren – eine andere Geschichte.
Vom Keller auf den Teller: Von Anfang an widmeten sich die Büchlein nur einer einzigen Frucht, Gemüsesorte oder einem Gewürz wie Vanille, Safran oder Zimt. Zu den ersten Titeln der schmalen, nur 60 Seiten starken Kochbüchlein mit Illustrationen von Linda Wolfsgruber gehören »Rote Rübe« und »Quitte« – und da das herbstliche Themen sind, lässt sich damit gleich kochen. Rüben hatten lange Jahre nicht den besten Ruf, und auch Rote Bete landeten meist milchsauer vergoren oder mit Essig im Glas oder als Lagergemüse für den Winter im Keller. Inzwischen bereichern zarte, weniger erdig schmeckende Sorten die Wochenmärkte, auch in gelb und geringelt, die sich auch als Rohkost gut machen. Und das Rote-Bete-Carpaccio mit Ziegenkäse scheint sich zum Klassiker gemausert zu haben – von raffiniert im Feinschmeckerrestaurant bis zu rustikal im vegetarischen Café. Die Rezepte von Margot Fischer sind ganz up-to-date mit Smoothie, Rüben-Chips und Rüben-Dip ohne auf Klassiker wie Borschtsch zu verzichten. Meine Favoriten: Rote-Rüben-Schnecken mit Pastrami und Bergkäse und Rote-Rüben-Teigtaschen mit Mohnsauce.
Quittenflaum und Quittenduft: Den steinharten, leuchtend gelben Früchten verweigerte noch die Generation unserer Mütter das Pflücken und Einkochen, denn sie zu verarbeiten, nimmt viel Zeit in Anspruch. Auch die herbe Süße der Früchte war mit steigendem Zuckerkonsum nicht mehr jedermanns Sache. Inzwischen ist die seit 4000 Jahren kultivierte Nutzpflanze wieder auf Wochenmärkten zu bekommen, an der Bergstraße und in Unterfranken gibt es »Quitten- und Rekultivierungsprojekte« mit wieder angepflanzten alten Sorten. Dass man Quitten nicht nur zu Gelee und Quittenbrot (Fruchtkonfekt, in Frankreich als »pâte de coing« verbreiteter als bei uns) verarbeiten kann, ist fast so in Vergessenheit geraten wie die Frucht selbst. Nach knapper Kulturgeschichte geht es in Inge Fasans Buch zu den Rezepten: Ich habe meinen Quittenessig mit Apfel- und Weißweinessig angesetzt, die Autorin verwendet dunklen Aceto Balsamico sowie Rosmarin und Lavendelblüten. Weil das vermutlich viel kräftiger als meine milde Variante wird, scheint mir die Empfehlung zu Rotkraut- oder Selleriesalat sinnvoll. Dann kommen die rundum ansprechenden Rezepte: Ziegenkäse mit Quitten, Lamm-Tagine, Tarte tatin mit Quitten und mehr.
Mandelbaum Verlag: Außer den »Kleinen Gourmandisen« erscheint in dem österreichischen Verlag noch eine andere tolle Reihe, die »Stadtreisen zum jüdischen Europa«. Den Band »Jüdisches Paris« kann ich nur wärmstens empfehlen, genauso wie »Jüdisches Wien«. Leider ist der Marseille-Band vergriffen (ich konnte ihn aber antiquarisch ergattern). Schon 1996 hat Michael Baiculescu den Verlag in Wien gegründet und neben Sachbüchern zu den Themen Globalisierung, Migration und internationale Politik finden sich im Verlagsprogramm Bücher zum Thema Essen und Trinken und zur Geschichte und Gegenwart der Stadt Wien. Über die Jahre entstanden Buchreihen zu Zeit-, Kultur- und Sozialgeschichte, Reisebücher zum jüdischen Europa und eben die »Kleinen Gourmandisen«. Eine übersetzerische Großtat ist die deutschsprachige Ausgabe des kulinarischen Jahrhundertwerks von Alexandre Dumas: »Das große Wörterbuch der Kochkunst«.
Inge Fasan, Quitte, Mandelbaum, Wien 2015
Margot Fischer, Rote Rübe Rote Bete, Mandelbaum, Wien 2015
Eva Derndorfer, Erbse, Mandelbaum, Wien 2020
Mandelbaum Verlag, https://www.mandelbaum.at