BORDEAUX: TÜRKLOPFER
Einlass erwünscht: Wem sind sie im Frankreich-Urlaub noch nicht aufgefallen, die Türbeschläge in Form einer Hand? Ob im selben Farbton lackiert wie die massive Eingangstür, aus blank poliertem oder abgewetzten Metall, die typischen Türklopfer in französischen Altstädten sind dekorativ und funktional zugleich: Mit oder ohne Kugel, mit oder ohne Anschlagfläche erzeugt die Hand den Klopfton, mit dem der Gast Einlass begehrt.
Echte Blickfänge: Besonders das historische Zentrum von Bordeaux ist die Heimat reich geschmückter Türklopfer: Mehr als 3000 soll es in der Stadt noch geben. Neben den Klassikern »Löwe mit Ring« und »Hand mit Kugel« gibt es dort allerdings noch unzählige andere Motive – an so manch einem alten Hausportal geometrisch verschlungen oder dekorativ verschnörkelt wie Ornamente aus 1001 Nacht. Übrigens: Streng genommen sind diese kunstvollen Beschläge oft eher Türzieher als Türklopfer! Der Klassiker darunter, die Löwenmaske mit Ring im Maul, findet sich häufig an Kirchentüren und diente in der Regel dem Zuziehen, nicht dem Anklopfen. Deshalb fehlt bei diesem Motiv oft die Anschlagfläche.
Fer forgé: Die prächtigsten und aufwendigsten Exemplare solcher Türbeschläge mit Ring (»heurtoirs à boucles«) in Bordeaux stammen aus dem 18. Jahrhundert und aus der Gründerzeit, die ältesten vielleicht sogar aus der Renaissance. Sie wurden aus Schmiedeeisen, später aus Gusseisen, Bronze oder Messing gefertigt, und gelten in Bordeaux als Teil des kulturellen Erbes (»patrimoine«). Übrigens spielt das Schmiedeeisen (»fer forgé«) im Stadtbild von Bordeaux auch anderweitig noch eine dekorative Rolle – im 18. Jahrhundert, als die Schmiedekunst ihren Höhepunkt erreichte, entstanden zur gleichen Zeit wie die berühmte klassizistische Architektur kunstvolle Balkonbrüstungen und Fenstergitter, reich verzierte Treppengeländer und zum Teil vergoldete Gartenportale wie am Jardin Public oder am Garten des Palais Rohan. Im 19. Jahrhundert verdrängte der günstigere Eisenguss die echte Schmiedekunst. Aus dieser späteren Epoche stammen die in Frankreich weit verbreiteten Hände, meist feminin-schlank und mit Ring geschmückt, die einen Apfel oder eine Kugel halten.
Türschmuck: In Bordeaux zieren die aufwendigsten Türbeschläge aus Barock und Rokoko die Portale der Stadtpaläste (»hôtels particuliers«) von Adligen und die großbürgerliche Architektur. Wie stolz die Bordelaiser auf ihre Schmiedekunst sind, zeigt die Tatsache, dass den Heurtoirs ganze Fotoausstellungen gewidmet werden oder die Immobilienbranche in Werbeanzeigen auf die starke Zugkraft dieser emblematischen Motive setzt. Berühmt sind vor allem die »pattes de grenouille« (Froschpfoten, 17. Jahrhundert) und die »boucles de gibecière« (wörtl. Jagdtasche, Umhängetasche, 18. Jahrhundert), es gibt aber auch Türklopfer in Tropfen- und Hammerform, Tiermotive wie den Delfin, menschliche Gesichter und rein ornamentale Varianten. Besonders schöne Exemplare sind beispielsweise am Hôtel Basquiat (Cours d’Albret) und am Hôtel de Lalande (Musée des Arts Décoratifs in der Rue Bouffard) zu entdecken, weitere sind im Musée d’Aquitaine ausgestellt.