AUTOFAHREN IN PARIS

Klare Ansage: Am vergangenen Sonntag haben die Pariser Bürger darüber abgestimmt, ob die großen und schweren SUVs, die mehr Platz beanspruchen, die Umwelt mehr verschmutzen und die Verkehrssicherheit mehr gefährden, auch mehr fürs Parken bezahlen sollen. Zwar war die Wahlbeteiligung nur gering, doch eine Mehrheit optierte für die drastische Erhöhung der Tarife. Das Parken in der Innenstadt ist schon länger extrem teuer – sechs Stunden kosten 75 €. Nun sollen Fahrer von »Sport Utility Vehicles« für die erste Stunde bereits 18 € statt 6 € zahlen und für sechs Stunden 225 €, in den äußeren Arrondissements 12 € statt 4 €. Die Regelung wirdl ab September 2024 für Verbrenner mit einem Gewicht ab 1,6 Tonnen gelten, für elektrische Autos ab 2 Tonnen – treffen wird sie nur Besucher, nicht die Anwohner, die aber auch nur über sehr eingeschränkte Parkbewillungen verfügen. Diese Neuerung zeigt, wie ernsthaft die Stadtregierung unter Anne Hidalgo sich um Klimaschutz und Nachhaltigkeit bemüht. Und ist ein hoffentlich ein wegweisendes Votum, denn viele Kommunen und Städte in Deutschland tun sich noch schwer damit, auch die Wünsche von Fußgängern und Radfahrern nach Sicherheit, mehr Platz und mehr Ruhe ernstzunehmen, geschweige denn den Autos tatsächlich Raum wegzunehmen und schweren Wagen höhere Parkgebühren aufzubürden.

Schritte in die richtige Richtung: In Paris dagegen wird der öffentliche Raum neu verteilt und Parkraum umgewidmet: 70.000 Stellplätze verschwinden, Autofahrspuren werden schmaler, Bürgersteige breiter, Fahrradschnellwege durch die Stadt entstehen. Seit 2014 ist die Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Amt, und erstaunlich durchsetzungsfähig hat Madame la Maire ein neues Mobilitätskonzept politisch vorangebracht. Ziel solcher radikaler Stadtplanung sind – neben mehr Lebensqualität für die Einwohner von Paris durch weniger Lärm, weniger Staus und weniger Unfälle – auch Klimaschutz und Luftverbesserung. Der Erfolg zeigt sich nicht nur in der stetig wachsenden Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer in Paris, sondern auch in der rückläufigen Zahl von PKW-Zulassungen seit 2018. Im Jahr 2022 waren 2.942.000 Fahrzeuge im Großraum Paris zugelassen, 35.000 weniger als 2021 (Quelle: APUR)

Mobiltätswende als Kulturwandel: Schon Bertrand Delanoë, 2001–2014 Bürgermeister von Paris, hatte Maßnahmen durchgesetzt, um den Autoverkehr in der Stadt zu verringern. Angefangen hatte die Verkehrswende 2004 außer mit dem Fahrradverleih Vélib auch damit, dass einige Viertel und Straßen sonntags für den motorisierten Verkehr gesperrt wurden, so waren sogar die Champs-Elysées an jedem ersten Sonntag im Monat den Spaziergängern, Radlern und Inlineskatern vorbehalten. Unter seiner Nachfolgerin Anne Hidalgo wurde die Aktion erst auf weitere Stadtviertel ausgedehnt und trotz Protesten und erheblichen Widerständen die zweispurigen Schnellstraßen am Seineufer dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt – heute sind dort Fußgänger, Radfahrer und Skater unterwegs, laden Bars und Spielplätze zum Verweilen ein, wo zuvor durchschnittlich 43.000 Autos am Tag fuhren.

Tempolimits und reservierte Fahrspuren: Schon 2021 wurde fast flächendeckend ein Tempolimit von 30 km/h eingeführt. Nun soll der Verkehr ab 2024 gänzlich aus den inneren Arrondissements verbannt werden – insgesamt 5,6 Quadratkilometer am rechten und linken Seine-Ufer, das sind 7 Prozent der Stadtfläche. Auf der Stadtautobahn, wo schon seit 2014 das Tempolimit von 70 km/h gilt, sollen zukünftig nur noch 50 km/h erlaubt sein. Zudem wird während der Olympischen Spiele ab Juli eine Fahrspur des Périphérique reserviert, die ab September dauerhaft dem ÖNPV, Taxis, Fahrgemeinschaften und besonders emissionsarmen Fahrzeugen (Crit’Air 0) vorbehalten bleiben soll. Für solch eine »voie réservée« (wie sie es schon in Grenoble, Straßburg und anderen Städten gibt) wurde eigens ein neues Straßenschild eingeführt, eine weiße Raute auf blauem Grund. Wer die Umweltspur unbefugt befährt, muss mit einem Bußgeld von 135 € rechnen.

Umweltzonen und Fahrverbote: Viele Städte in Frankreich haben bereits Umweltzonen zur Verbesserung der Luftqualität eingerichtet und ihre Zahl wächst stetig. Da die Regeln sukzessive verschärft werden, hat es sogar der ADAC aufgegeben, seine Mitglieder auf der Website für Frankreichreisen über die aktuellen Vorschriften zu informieren. Schon seit 2017 benötigen alle Autos, die in die Pariser Umweltzone (das Gebiet innerhalb des Autobahnrings A86) fahren wollen, eine Umweltplakette (Crit’Air Vignette, zu bestellen unter www.certificat-air.gouv.fr), je nach Schadstoffausstoß in sechs Kategorien von grau bis grün (emissionsfrei) bzw. von 5 bis 0. Gegenwärtig können ältere Fahrzeuge schon nicht mehr in Paris unterwegs sein: Kfz, die gar keine oder nur eine Vignette der Kategorie Crit’Air 4 oder 5 aufweisen können, müssen die Straßen der französischen Hauptstadt meiden. Für Herbst 2024, im Anschluss an die Olympischen Spiele, ist geplant, für ganz Paris das Fahrverbot auch für Crit’Air 3 durchzusetzen. Jährlich soll der Autoverkehr so um 5 Prozent abnehmen, die U-Bahn-Linien wiederum werden um mehrere Stationen in die Vorstädte erweitert.

ZFE Paris: Die »Zone à Faibles Emissions«, wie die dauerhafte Umweltzone (im Gegensatz zu temporären) genannt wird, umfasst neben der französischen Hauptstadt ein Ballungsgebiet mit Millionen Einwohnern und fast 80 umliegende Gemeinden – damit ist sie die größte Umweltzone in Frankreich. Bestimmten nach Schadstoffausstoß und Erstzulassung klassifizierten Fahrzeugkategorien werden für diese ZFE Fahrverbote auferlegt.  Studien zeigen, dass die Werte von Stickstoffdioxid und Feinstaub, zwei der schädlichsten Luftschadstoffe, durch die Einrichtung der Umweltzone bereits gesunken sind. Dennoch übersteigt die Luftverschmutzung im Großraum Paris nach wie vor die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Grenzwerte. Umweltverbände äußerten daher ihr Erstaunen, dass die ursprünglich für 2025 geplante Verschärfung auf Crit’Air 2 – was einem kompletten Dieselfahrverbot gleichkäme – auf 2027 verschoben wurde.

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