AUSSTELLUNG IN PARIS: SUZANNE VALADON

Im Centre Pompidou: Bevor das Kunst- und Kulturzentrum in Paris wieder für eine mehrjährige Renovierung schließt, voraussichtlich bis 2030, ist dort noch eine sehenswerte Retrospektive mit fast 200 Gemälden der französischen Malerin Suzanne Valadon zu sehen. Kaum zu glauben, die letzte große Sanierung des 1977 eröffneten Centre Pompidou mit dem Musée National d’Art Moderne liegt nun auch schon wieder ein Vierteljahrhundert zurück.

Adam und Eva: In der umfangreichen Werkschau sind ausgesprochen viele Akte zu sehen – um 1900 eine Provokation, insbesondere, wenn sie von einer Frau stammten. Traditionell malten nur Männer unbekleidete Menschen, den Raub der Sabinerinnen, die schaumgeborene Venus, muskulöse, durchtrainierte Männer. Modern macht Valadons Blick auf den weiblichen Körper, dass sie mit der idealisierten Darstellung brach, ihn ungeschönt darstellt, nicht als Projektionsfläche männlicher Begierde. Ein großes Gemälde zeigt Adam und Eva, nackt im Garten Eden (die Eva ist ein Selbstporträt, Adam ihr späterer Mann André Utter). »Adam et Ève« (1909), in der europäischen Malereigeschichte eigentlich ein klassisches Motiv, war ein Affront, wagte Valadon doch schockierenderweise den Tabubruch, nicht nur die weibliche Scham, sondern auch das entblößte männliche Geschlecht abzubilden (das sie erst später mit einem Weinblatt übermalte, vermutlich für die Ausstellung des Salon des Indépendents im Jahr 1920).

Frauen vor Mustern: Mir gefallen Valadons oft mit dunklen Konturen gemalte Frauenporträts am besten, die auch dem Interieur mit intensiver Farbpalette eine tragende Rolle geben. Porträts wie das der »Madame Lévy« (1922) oder der »Dames Rivière« (1924) und Akte wie »Nu au canapé rouge« (1920) zeigen Mobiliar und auffallend gemusterte Textilien in kräftigen Farben. Das spektakulärste, »La Chambre bleue« (1923), zeigt eine liegende Frau in bequemer gestreifter Pyjamahose und rosa Hemdchen, einen Stapel Bücher neben sich, eine Zigarette im Mundwinkel, auf leuchtend blauer Bettwäsche mit weißen Ranken und Blättern vor wild gemusterter Tapete (ein Ausschnitt daraus wurde für das Ausstellungsplakat gewählt). Das Motiv erinnert an die Odalisken der klassischen Malerei, bricht aber mit voyeuristischer Sexualisierung – dargestellt ist kein erotisch aufreizendes Objekt, sondern eine moderne, nachdenkliche Frau, selbstbewusst, ganz entspannt und bei sich.

Chromophilie: Was die Farbigkeit angeht, hat der schottische Künstler David Batchelor einen Essay über »Chromophobie« geschrieben, wie der wissenschaftliche Ausdruck für die Aversion gegen alles Bunte lautet (WUV Universitätsverlag, Wien 2002). Seit der Antike, heißt es darin, werden Farben »systematisch verdrängt, verleumdet, abgeschwächt und abgewertet«. Anhand der 1867 in Frankreich erschienenen Kunst- und Farbtheorie von Charles Blanc zeigt der Autor, wie Farbe mit dem Weiblichen identifiziert wurde – um sie den »männlichen Disziplinen« Entwurf und Zeichnung unterzuordnen. In der »Rangordnung der Fertigkeiten und Mittel des Malers« stehe Farbe ganz weit unten, da sie »eher zu den Sinnen spricht als zum Geist«. Der Kolorist erfinde seiner Farbe die Form: Jede denkbare Freiheit nehme der Maler sich heraus, suche Vorwände für Farbe, führe Gegenstände wie Möbel, Stoffe, Teppiche, Wände ein. Behalte die Zeichnung nicht ihre Vormacht über die Farbe, behauptet Blanc, eile »die Malerei ihrem Untergang entgegen: Sie wird durch die Farbe fallen, wie die Menschheit durch Eva gefallen ist.« Suzanne Valadon war da gerade erst geboren, dennoch dürfte es interessant sein, dem genauer nachzugehen.

Vom Modell zur Malerin: Suzanne Valadon (1865–1938) hatte als Halbwüchsige Malern wie Henri de Toulouse-Lautrec, Auguste Renoir und Pierre Puvis de Chavannes Modell gestanden und sich autodidaktisch verschiedene Techniken abgeschaut und angeeignet. Edgar Degas, dem Valadon ihre Arbeiten zeigte, erkannte als Erster ihr Talent und ihre analytische Beobachtungsgabe und ermutigte sie, sich auf die Kunst zu konzentrieren. Ihr Atelier ist heute beim Besuch des Musée de Montmartre zu besichtigen. Als Malerin führte sie ein unkonventionelles Leben, das in jeder Hinsicht den damaligen gesellschaftlichen Konventionen widersprach. Sie lebte als alleinerziehende Mutter in einer Wohnung am Montmartre, führte ein freies sexuelles Leben mit vielen Liebschaften. Zu Lebzeiten war sie bekannt, etablierte sich in der männlich dominierten Kunstwelt, verdiente sogar ausreichend Geld, nicht nur mit Auftragsporträts, auch renommierte Galerien und Kunsthändler vertrieben ihre Werke, selbst der französische Staat und das Musée du Luxembourg kauften einige ihrer Gemälde. Doch über die Jahre geriet die Künstlerin in Vergessenheit. Das Centre Pompidou will mit dieser Retrospektive, die schon im Ableger des Centre Pompidou in Metz und in Barcelona zu sehen war, Valadons Werk wieder ins Rampenlicht rücken.

 

Suzanne Valadon

15. Januar 2025 bis 26. Mai 2025

Centre Pompidou, Place Georges Pompidou (4e), Métro: Hôtel de Ville

www.centrepompidou.fr, Mi–Mo 11–21, Do bis 23 Uhr

Centre Pompidou Paris Ausstellung Suzanne Valadon