AUSSTELLUNG IN DÜSSELDORF: JULIE MEHRETU

Abstrakte Kunst: Weltweit werden die Arbeiten der US-Amerikanerin in renommierten Museen gezeigt, von London, Paris und Amsterdam bis nach Tokio, Sydney und New York, ihre Werke sind so gefragt, dass sie auf Auktionen rekordverdächtige Erlöse erzielen. Gerade ist auch in Deutschland eine große Einzelausstellung der Künstlerin gewidmet, die so monumental wie großartig malt und zu den gefeierten Superstars der globalen Kunstszene zählt. Für die Schau in Düsseldorf arbeitete die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen mit der Pinault Collection zusammen, die 2024 mit »Ensemble« bereits eine Ausstellung im Palazzo Grassi in Venedig präsentierte (und deren Katalog im Museumsshop offenbar der einzige verfügbare Katalog ist). Unter anderem das faszinierende »Black City« aus dem Jahr 2007 ist eine Leihgabe der Pinault Collection. Mehretus großformatige Bilder kann man aus etwas Entfernung betrachten und sich in sie einzoomen – und immer mehr überraschende Details entdecken, so vielschichtig sind die expressiven Gemälde.

Story maps of no location: Wie die Textilkünstlerin Sheila Hicks ist mir die 1970 in Addis Abeba geborene Julie Mehretu, die als Kind mit ihrer Familie aus Äthiopien fliehen musste, das erste Mal in der Kunstgeschichte von Katy Hessel begegnet: »The Story of Art without Men«. Zu jedem kurzen Porträt wird immer ein wichtiges Werk abgebildet und gedeutet, in diesem Fall hatte die Autorin ein Gemälde der dreiteiligen Serie »Stadia« ausgewählt (die mir besonders gut gefallen), das voller »Architekturillustrationen, kartenähnlicher Formen und Clustern an Symbolen, Formen, Zeichen und Linien« ist. Mit vielen Farblagen und fragmentierten Stadtlandschaften, Abklebungen, Liniengeflechten und verwischten Details erschafft Meretu Bilder aus mehreren visuellen Schichten, die urbane und gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln.

Arbeitsweisen: Die große Überblicksschau in Düsseldorf zeigt mit rund 100 Arbeiten die große Bandbreite von Mehretus Gemälden, Drucken und Zeichnungen und zeichnet ihrer künstlerische Entwicklung nach. Auch das unbedingt sehenswerte 45-minütige filmische Porträt macht deutlich, wie vielseitig interessiert an den Möglichkeiten von Kunst Mehretu ist, unter Einsatz unterschiedlichster Techniken von Airbrush über Pinsel und Zeichenstift bis zu Photoshop, Radierung und Siebdruck, die sie souverän beherrscht. »Ich erforsche die Malerei und gehe an die Grenzen dessen, was ich zu diesem Zeitpunkt für möglich halte«, erklärt Mehretu in einem Interview anlässlich der Ausstellung (www.arte.tv/de/videos/126884-000-A/julie-mehretu-superstar-der-gegenwartskunst). Ihr konzeptionelles Denken und den kreativen Prozess zeigt der Dokumentarfilm etwa am Beispiel der Zusammenarbeit mit Druckern, einen Einblick in das Archiv der Malerin gibt ein Raum mit Zeitungsauschnitten, Karten, Fotos und anderen zeithistorischen Dokumenten, quasi der Wissensspeicher, der in die Malerei von Mehretu einfließt.

Grau –Unscharf – Transparent: Ab dem Jahr 2012 sind seltener architektonische Strukturen auf den Gemälden zu erkennen. Eine Zeitlang beschränkt Mehretu ihre Farbpalette auf Grau- und Schwarztöne. In anderen Arbeiten setzt sie sich ausgehend von unscharf gestellten Pressefotos, die digital bearbeitet und verfremdet werden, mit politischen Ereignissen und historischen Momenten, Krisen und Konflikten, Umbrüchen und Klimawandel auseinander. Nach den feinen Linienzeichnungen der 1990er Jahre und den so dynamischen, abstrakten Gemälden, die sie berühmt gemacht haben, sind ihre neuesten Arbeiten die »Transpaintings« auf durchsichtigem Untergrund, die frei im Raum stehen und sich je nach Lichteinfall ständig wandeln.

Eine Ausstellung, die man nicht verpassen sollte!

 

Julie Mehretu: KAIROs / Hauntological Variations

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, www.kunstsammlung.de

Bis 12. Oktober 2025