AUSSTELLUNG IN DÜSSELDORF UND BOTTROP: SHEILA HICKS
Fadenkunst: Gebrauchsleinen, Kelims und handgefertigte Webwaren interessieren mich, ich kaufe gern Meterstoffe und – ließe mein Budget es zu – würde alte Textilien sogar gern sammeln. Dennoch war mir Sheila Hicks kein Begriff, bevor ich die »Story of Art without Men« von Katy Hessel gelesen hatte. Von da an hatte ich gehofft, mal eine Ausstellung ihrer Arbeiten sehen zu können, erst recht, nachdem ich bei der Recherche für einen Loire-Reiseführer eines ihrer farbenfrohen Fasergebilde im Château Chaumont entdeckt hatte. Speziell für die gewendelte Ehrentreppe entworfen, bringt der weiße Tuffstein des Schlosses die für Hicks so charakteristischen, mit bunten Fäden umwickelten »Boules« zum Leuchten. Das Pariser Centre Pompidou zeigte im Frühjahr 2018 knapp 150 Werke in einer Retrospektive. Für ihre erste große Einzelausstellung in Deutschland musste die US-Amerikanerin (geb. 1934) immerhin 90 Jahre alt werden, jetzt kann man endlich in Düsseldorf und Bottrop mehr als 250 Werke der Grande Dame der Textilkunst betrachten.
Eigenständige Kunstgattung: Wenn eine Arbeit auf Papier entsteht, wird sie als Kunst angesehen, werden Fäden verwendet, gilt sie als Handwerk. Der geringe Stellenwert von Textilkunst, die Abwertung als rein dekorativ statt ernstzunehmend in der Kunsthierarchie betrifft das Weben, betrifft das Sticken, Stricken und Häkeln nochmal mehr. Als ein Meilenstein bei der Anerkennung von »Faserkunst« gilt die Gruppenausstellung »Wall Hangings« 1969 im MoMa, bei der Sheila Hicks bereits beteiligt war, doch erst seit einiger Zeit rücken textile Techniken als Ausdrucksmittel expliziter ins Rampenlicht. Womöglich entscheidet sich Sheila Hicks nach wie vor auch deswegen für monumentale Installationen, die sich teils in den Raum ergießen (wie »Aprentizaje de la Victoria«, das Motiv des Ausstellungsplakats), teils architektonische Welten erschaffen, teils als Säulen von der Decke hängen, um den Handarbeitsverdacht gleich auszuräumen. Andererseits sind ihre »Minimes« genannten, präkolumbianisch inspirierten Webarbeiten kleinformatig und passen in Bilderrahmen. Objekte wie »Saffron Sentinel« türmen sich in einer Raumecke, andere wirken wie subtile Farbstudien (die mit Leinen umwickelten Leinwände auf der Empore). Vermutlich zeigen die neueren Arbeiten von Hicks in Düsseldorf vor allem, dass die Künstlerin immer deutlicher das Material an sich, seine farbigen, stofflichen Qualitäten in den Vordergrund stellt.
Abstraktion und Räumlichkeit: Anders als Künstlerinnen wie Etel Adnan, Louise Bourgeois oder Sonia Delaunay, die nur ab und zu mit Textilien arbeiteten, konzentriert sich Hicks ausschließlich auf textile Kunstobjekte, sie malt mit Fäden und erschafft Skulpturen aus Garn, sie fertigt Schnurobjekte, webt Flachreliefs, kreiert Environments. Reisen führten Hicks nach Mexiko, Chile, Peru, Indien, Marokko, Japan, Korea, Südafrika und weitere Länder auf allen Kontinenten, wo sie andere Künstler traf, Webtechniken erkundete und Werkstätten besuchte. Indem sie mit großer Experimentierlust die Grenzen zwischen Malerei und Bildhauerei verwischt, belebt sie nicht nur die volkstümliche textile Handwerkstradition neu, sondern nimmt zugleich zeitgenössische Formexperimente für ihre skulpturalen, raumgreifenden Kreationen auf.
Quadrat Bottrop: Anni Albers (1899–1994) hatte bereits am Bauhaus in Weimar Karriere gemacht, war 1933 aber gezwungen, in die USA zu emigrieren, wo sie eine Lehrtätigkeit aufnehmen konnte. Mit ihren Studierenden webte sie sowohl Funktionstextilien als auch »pictural weavings«, die nur zur Betrachtung gedacht waren, und veröffentlichte 1965 ihr Buch »On Weaving«. Als Lehrende an der Yale School of Art übten Anni und Josef Albers großen Einfluss auf Sheila Hicks aus, die in den 1950er Jahren dort studierte. Dass der zweite Teil der Ausstellung im Josef-Albers-Museum in Bottrop retrospektiv angelegt ist und frühere Arbeiten aus allen Schaffensperioden umfasst, passt zu dieser biografischen Verbindung.
Sheila Hicks, bis 23. Februar 2025, www.sheilahicks.com
Kunsthalle Düsseldorf, www.kunsthalle-duesseldorf.de
Josef Albers Museum Quadrat Bottrop, https://quadrat.bottrop.de