TYPISCH FRANKREICH: NAVETS
Frühlingsrüben: Mairübchen sind es jetzt Anfang März zwar noch nicht, aber auf dem Wochenmarkt in Plougasnou strahlen mich mehrere Bund »Navets« dermaßen verführerisch an, dass ich eins mitnehme. »Ja«, sagt die Markthändlerin am Gemüsestand, »selbstverständlich kann man sie roh essen, es ist ja gerade die erste Ernte.« Ich hätte zum Größenvergleich für das Foto daneben etwas leicht Erkenntliches legen sollen, denn die weißen, leicht violett eingefärbten Rübchen sind etwa so groß wie Radieschen. Ob es sich um die Sorte »Navets de Printemps de Milan« handelt? Das stand natürlich nicht dabei, und ich habe es verabsäumt zu fragen. Diese »navets de printemps« werden im Winter ausgesät und sind zwei Monate später schon erntereif. Dass die Sorten wie »Milan à forcer à collet rose« oder »Rave d’Auvergne hâtif« einen milden, süßen Geschmack haben und sie optisch verführen, sollte aber vermutlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Sorten »à forcer« offensichtlich schnellwachsende Neuzüchtungen sind.
Früher Frühling: Was so gezüchtet wird, liegt natürlich am Anspruch der Kunden. Ungeduldig warte nicht nur ich jetzt Anfang März auf das erste frische Gemüse. »Primeurs« heißt das frühe, allererste Saisongemüse in Frankreich, um das durchaus etwas Kult gemacht wird auf den Märkten und in der Gastronomie, es gibt auch Frühkartoffeln, Frühlingszwiebeln, Radieschen, Möhren, Lauch und gerade hier in der Bretagne werden sie dank des Golfstroms kultiviert. In Frankreich gibt’s jede Menge Rezepte für zarte Rüben, auch für ein Carpaccio, wie ich es daraus machen will. Nichtmal schälen muss man die Navets dafür, sondern nur unter kaltem Wasser etwas abbürsten. Die Rübchen in sehr dünne Scheiben schneiden, mit etwas Olivenöl beträufeln, salzen und pfeffern. Nun nur noch etwas Zitronenzesten und Parmesan darüber reiben – fertig ist das »Carpaccio de navets primeurs«.
Roh essen? Ich glaube, ich kenne gar kein traditionelles deutsches Rezept für »Rübchen«, nicht mal an das Leipziger Allerlei scheinen sie zu gehören. Und irgendwie sind »Speiserüben« in Deutschland immer grotesk große Exemplare, die schon durch ihre knorrige Robustheit abschrecken. Ihr schlechtes Image aus der Nachkriegszeit hat sich zwar im Gefolge der Renaissance alter Sorten etwas zum Besseren gewandelt, auch in den Kochmagazinen tauchen wieder Rezepte auf, doch dass aus dem unterschätzten Gemüse auch hierzulande so ein beliebtes Frühlingsgemüse wird, dass dürfte noch dauern.