PARISER BAHNHÖFE: GARE DU NORD

Bahnhofsarchitektur: Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter der Eisenbahn. Gleich mehrere Bahnhöfe wurden in Paris gebaut, von denen Züge in alle Himmelsrichtungen starten, allesamt gewaltige Bauwerke, die schon den Zeitgenossen als Kathedralen einer neuen Zeit erschienen. Ein erster Bau der Gare du Nord wird 1846 eröffnet, erweist sich aber schnell als zu klein. Schon ein Jahr später wird die Vergrößerung des Bahnhofs beschlossen und nimmt ab 1860 Gestalt an. Die 180 Meter lange neoklassizistische Fassade des Pariser Nordbahnhofs entspricht ganz dem Geschmack des Second Empire. Hoch über der imposanten Eingangsfront mit den monumentalen Rundbogenfenstern verkörpern einige Statuen Städte wie Amiens und Rouen, Köln und London. Anders als die Gare Montparnasse blieb die Gare du Nord vom (ebenfalls geplanten) Abriss verschont und wurde 2014 behutsam modernisiert.

Franzosenzeit im Rheinland: Entworfen hat das Gebäude ein in Deutschland geborener Architekt: Jakob Ignaz Hittorff wurde 1792 in Köln geboren – vor 230 Jahren –, und schon im jugendlichen Alter von 18 Jahren ging er nach Paris und begann ein Studium an der Ecole des Beaux Arts. Damit ging er damals übrigens nicht ins Ausland: 1794 hatten französische Truppen die Stadt Köln besetzt, Französisch war neue Amtssprache, 1801 wurden die Kölner auch französische Staatsbürger durch die Eingliederung des Rheinlands in den französischen Staatenverbund. Zwei Jahrzehnte dauerte die »Franzosenherrschaft«, bis 1814 die Preußen in Köln einzogen. In Paris hatte Hittorf zuvor schon die Kirche Saint-Vincent-de-Paul (10e) entworfen, den Cirque d’Hiver (11e) und die Rathäuser des 1. und 5. Arrondissements sowie die Place de la Concorde mit monumentalen Brunnen und Statuen neu gestaltet inklusive einiger Bauten entlang der Champs-Elysées. Die eigentliche Bahnhofshalle hinter der eindrucksvollen Fassade aus Stein fand nicht den Beifall der Zeitgenossen, denn die Eisenkonstruktion mit Glasdach erschien ihnen als eine der »erschreckendsten architektonischen Unverschämtheiten unseres Jahrhunderts« (Jacob Burckhardt, 1897), so neu war diese Bauweise auch noch Ende des 19. Jahrhunderts.

Bahnhof als Aufenthaltsort: Über verspätete Züge aufregen muss man sich in Frankreich so gut wie nie, anders als in Deutschland. Obwohl man also in den Bahnhöfen gar nicht länger rumsteht als geplant, ist es ein Anliegen der SNCF, ihnen Aufenthaltsqualität zu geben, also für Sitzgelegenheiten, Sauberkeit und Sicherheit zu sorgen. Anders als in Deutschland, wo es vor allem um die Kommerzialisierung der Flächen geht und nur Fahrgäste 1. Klasse Zugang zu »Lounges« gewährt wird, gibt es in Frankreich echte Bemühungen, die Bahnhöfe den Bedürfnissen der Reisenden anzupassen, die SNCF pflegt dafür eine eigene Internetpräsenz (www.garesetconnexions.scnf). Ob man alles gut findet, ist ein anderes Thema, aber in vielen Bahnhöfen gibt es beispielsweise Klaviere, die mit großer Begeisterung genutzt werden, und fest installierte Bikes, mit denen man via energischem Treten sein Handy aufladen kann.

Paris Gare du Nord

Paris Gare du Nord

Paris Cirque d’Hiver

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