NIZZA: WEINBISTROS UND WEINHÄNDLER

Hipsterfreie Zone: Draußen stehen Weinfässer und ein paar Tische, drinnen in der sympathisch-altmodischen Weinhandlung hocken die Stammgäste am liebsten an der Bar. Auch ein Metzger aus der Nachbarschaft, die blutbefleckte Schürze noch umgebunden, gönnte sich ein Gläschen zum Feierabend. Während der Patron sich halb dem Enkel, halb den Gästen am Tresen widmete, brachte mir die Tochter einen ausgesprochen guten und zugleich vergleichsweise preiswerten Rosé an meinen Tisch. In der familiengeführten Cave de la Tour in der Altstadt von Nizza wird schon seit 1947 mit Wein gehandelt, von günstigen Alltagsweinen bis zu besten Tropfen stammen die Flaschen vorzugsweise aus der Region. Hier scheint sich seit Jahrzehnten nichts geändert zu haben: Die vorwiegend lokale Kundschaft verspürt offensichtlich keinerlei Bedürfnis nach einer coolen Vinothek, und das ist auch gut so. Cave de la Tour, 3 rue de la Tour, 06300 Nice, Di–Sa 7–20, So 7–13 Uhr, mittags auch ein Tagesgericht im Angebot

Hoflieferant: Schade, dachte ich, die ehrwürdige Cave Bianchi gibt es gar nicht mehr! Aber das 1860 gegründete Weinfachgeschäft unweit der Oper mit seiner über 150-jährigen Tradition hatte nur noch nicht geöffnet. Schon als im 19. Jahrhundert die englische Queen, der russische Zar und der belgische König regelmäßig ihr Winterquartier in Nizza bezogen, sorgte die Cave Bianchi für ausreichende Versorgung mit Champagner von Bollinger und Taittinger. Heute wird hinter der sehenswerten denkmalgeschützten Fassade nicht nur beim Einkauf bester Weine aus ganz Frankreich und exquisiter Spirituosen beraten, in der Weinbar kann man täglich an Tastings zu Weinen der Region teilnehmen oder einfach ein Glas bestellen. Cave Bianchi, 7 rue Raoul Bosio, 06300 Nice, tgl. 9.30–19.30, Fr, Sa bis 22.30 Uhr

Der Anteil der Engel: Die Wein- und Spirituosenhandlung La Part des Anges ist nicht nur ein schon 1998 eröffnetes, auf Bio-Weine spezialisiertes Geschäft, sondern zugleich auch Weinbar und Bistrot: An den Tischen hinten im Laden kann man mittags auch Kleinigkeiten essen und den ein oder anderen Tropfen glasweise verkosten (und seit 2011 gibt es mit »Mise au Verre« auch noch ein Restaurant). Olivier Labarde führt rund 300 Weine, fast ausschließlich aus biologischer oder biodynamischer Produktion sowie »vins naturels«, außerdem 60 Spirituosen und 20 Champagner. Naturweine sind mittlerweile so angesagt wie Craft Beer: Sie werden kaum oder gar nicht geschwefelt, Schönung und Filterung sind meist, aber nicht immer tabu, Spontanvergärung ist die Regel. Übrigens: »Part des anges« heißt jenes Quantum Flüssigkeit, das verdunstet, während der Wein im Fass reift, also sich sozusagen zu den Engeln verflüchtigt. La Part des Anges, 17 rue Gubernatis , 06000 Nice, 10–20.30 Uhr

Rosé im Trend: Die Côte d’Azur gehört zur Provence als Weinbauregion, mit 27.000 Hektar etwa so groß wie das größte deutsche Anbaugebiet Rheinhessen (vgl. die völlig anderen Dimensionen in Frankreich: Bordeaux mit 117.200 Hektar Rebflächen und Languedoc-Roussillon mit 228.000 Hektar). Die Provence steuert 11 Prozent zur gesamten französischen Weinproduktion bei, und mit knapp 90 Prozent stellen Roséweine den größten Anteil darunter. Während der Rosé in der Provence quasi zum Lebensgefühl gehört, wurde er auch im Rest des Landes schon immer viel getrunken (sogar mit Eiswürfeln) – vor allem aber wohl, weil er die preiswertesten Flaschen in den Supermarktregalen stellt. Frankreich ist in Bezug auf Rosé gleich dreifacher Weltmeister: Das Land ist nicht nur der größte Rosé-Produzent der Welt, sondern auch der größte Konsument und Importeur. Unter den Millionen Flaschen aus der Provence – immerhin 5,6 Prozent der weltweiten Rosé-Produktion – war lange Jahre auch viel belanglose Plörre. Doch zuletzt stieg die Beliebtheit von Rosé sogar noch, in Deutschland wie in Frankreich. Der Unterschied: Es wird nicht einfach mehr getrunken, sondern auch besserer Rosé. Weil die Winzer das neue Modegetränk sehr viel ernster nehmen als früher, liefern sie deutlich bessere Qualitäten. Auch in Südfrankreich wenden sich immer mehr Produzenten dem biologischen Anbau zu und keltern teils fantastische Rosé-Weine, etwa aus den roten Rebsorten Syrah, Cinsault, Mourvèdre oder Grenache.

Brutal lokal: Selbst im Stadtgebiet von Nizza wird Wein angebaut: Auf Terrassenweinbergen im Var-Tal wird von rund einem Dutzend Winzer der Bellet produziert. Einst deutlich größer, sind heute nur noch knapp 50 Hektar mit Reben bepflanzt, da sich viele Landwirte dem lukrativeren Nelkenanbau zugewandt haben. Die Bellet-Weine (etwa 42 Prozent Rotwein, 23 Prozent Rosé, 35 Prozent Weißwein) sind seit 1941 mit dem AOC-Label geschützt, inzwischen seit 2011 europaweit in AOP (Appellation d’Origine Protégée) umbenannt. Das mediterrane Klima an der »azurblauen Küste« mit jeder Menge Sonnenschein ist durchaus eine Herausforderung für die Winzer – durchschnittlich 2700 Sonnenstunden pro Jahr sind mehr als die Trauben zum Reifen brauchen. Die Bellet-Trauben profitieren von der Höhe (200–400 m in den Ausläufern der Seealpen), in der sie angebaut werden, und vom Wind, der kontinuierlich durch das Flusstal weht. Probieren Sie als lokale Besonderheit einen Rotwein aus einer der alten Rebsorten »Folle Noire« oder »Braquet«.

http://www.cavedelatour.com

http://www.la-part-des-anges-nice.fr

http://www.cave-bianchi.fr

https://vindenice.com

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