MERIAN SCHWÄBISCHE ALB

Deutschland als Reiseziel: Wie die Verlage von Reiseführern (und ich als Reiseautorin) musste vermutlich auch die Redaktion des Merian-Magazins einen Teil ihrer Programmplanung umstoßen – die Pandemie erschwert das Reisen generell, doch besonders schränkt sie Fernreisen ein. Nun also widmet sich das Januarheft 2022 der Schwäbischen Alb. Zum vierten Mal bereits – kurioserweise wurde für die erste Ausgabe Mitte der 1950er-Jahre ausgerechnet das Autobahnviadukt am Albabstieg als Titelmotiv gewählt, die 1936/37 in Rekordzeit gebaute Drachenlochbrücke. Das heute aus Staumeldungen bekannte Nadelöhr zwischen München und Stuttgart war damals nach dem Zweiten Weltkrieg gerade rekonstruiert worden.

Gestern und heute: Noch im Heft von 1971 hieß es im Editorial, der Name dieses »von der Natur nicht übermäßig gesegneten Gebiets« wecke die Vorstellung eines unwegsamen Landstrichs (»karge Hochfläche, raues Klima«), und auch die Bezeichnung »Älbler« stehe nicht im besten Ruf. Wird dort noch beklagt, das »einsame Land der Bauern und Schäfer« sei Legende und de facto Industrieregion, gilt die Schwäbische Alb heute als Naturrefugium. Auf dem Cover versprechen Störer-Buttons Wander- und Radtouren, Höhlen und bedrohte Arten, und das Titelmotiv zeigt imposante Felsformationen. So ändern sich die Zeiten! Dazwischen lag der Niedergang der Textilindustrie, derem vorsichtigen »Revival an den Spulen« ein eigener Beitrag gewidmet ist.

Raus aufs Land: Den »Raus aufs Land«-Teil bestreitet letztlich Andrea C. Bayer mit einer Wandertour auf dem Albschäferweg, die Radtour am Neckar dagegen führt in Städte wie Tübingen und Reutlingen. Tatsächlich enthält das Heft mit den Beiträgen zur Hohenzollernburg sowie weiteren Burgen und Schlössern, den Urzeitfunden und zur Gedenkstätte Grafeneck doch allerhand zur Kultur und Historie, auch das womöglich den Recherche-Möglichkeiten im Lockdown geschuldet.

Genusslust: Höchst erfreulich aber der Platz, der dem »Comeback von Linsen, Brot und Birnensekt« eingeräumt wird. Die »reife Leistung« von Jörg Geiger in Schlat, der sich für Streuobstwiesen und alte Obstsorten einsetzt, und die Ernte zu edlen Destillaten und Schaumweinen (auch alkoholfreien) verarbeitet, wird ebenso gewürdigt wie die Albmetzgerei Failenschmid, Beckabeck und die Biobauern, die wieder Linsen anbauen. Eine gute Auswahl, das kann ich als zeitweise, aber doch immerhin für einige Jahre Zugezogene nur bestätigen.

Corona-Krise oder Print-Sterben? Im Detail zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie oder des Auflagenrückgangs: Gespart werden musste offensichtlich trotz des Deutschland-Schwerpunkts, die Budgets für Texte und Fotos waren wohl knapp bemessen. Denn der sonst umfangreiche Serviceteil mit Adressen für Hotels, Restaurants und mehr wurde verknappt und auf die Beiträge verteilt, die Bildstrecke zur Flora und Fauna der Region ist eine Übernahme aus einem Bildband, vom Blautopf kommt ein bereits zigfach verwendetes Motiv in die Aufmacher-Bildstrecke und ein weiteres zeigt das Ulmer Münster, das – wie die Bildlegende abzumildern sucht – »nicht direkt« zur Alb gehört.

 

 

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