MARIN MONTAGUT: VERBORGENE SCHÄTZE IN PARIS
Magische Orte: Das Buch verzaubert schon beim ersten Aufschlagen und Blättern, noch bevor man sich genauer vertieft: Mit seinen aquarellierten Retro-Illustrationen hat der Autor farbiges Vorsatzpapier und Inhaltsverzeichnis, einige Aufmacherseiten und wunderschöne Moodboards gestaltet. Zusammen mit den stimmungsvollen Fotografien von Ludovic Balay, Pierre Musellec und Romain Ricard erweist sich der Bildband als märchenhafte Entdeckungsreise zu den »verborgenen Schätzen von Paris«. Fazit: Das perfekte Geschenk für alle Paris-Fans und die, die es werden sollen.
Souvenirs de Paris faits à la main: Über sich selbst verrät Montagut zu Beginn des Buchs, dass er in einer Familie von Antiquitätenhändlern und Künstlerinnen aufwuchs, schon von Kindheit an umgeben von schönen Dingen und mit geschultem Sammlerblick für Qualität. Seinen auf dem Cover abgebildeten Laden eröffnete er 2020 in der Rue Madame, unweit seines Lieblingsparks Jardin du Luxembourg. Die bildbandschöne Wunderkammer als »Haushaltswarengeschäft« zu bezeichnen, wie das Google tut, wird ihr keinesfalls gerecht – Montagut nennt sich lieber »Marchand d’objets en tous genres«. Der Shopinhaber stöbert gern auf dem großen Pariser Flohmarkt, in der Normandie oder auch Lissabon nach neuen Schätzen und lässt sich als Porzellandesigner für seine charmanten Kreationen gern von klassischem Tischgeschirr inspirieren. Schon vor der Gründung einer eigenen Marke für handbemaltes Porzellan und Deko-Objekte hatte er sich als Autor, Illustrator und vielseitiger Spezialist für das Schöne einen Namen gemacht. Wann immer er unterwegs ist, seine Aquarellfarben und Zeichenpapier hat er dabei.
Sennelier und Maison du Pastel: Und wo kauft Marin Montagut seine Farben? Wie vor ihm berühmte Maler von Balthus über Picasso bis zu Salvador Dali ist er Stammkunde bei Sennelier. Die Farbpigmente für mehr Brillanz mit Honig zu mischen, sei eines der Erfolgsgeheimnisse des vor 125 Jahren gegründeten Ladens für Künstlerbedarf. Zu den ältesten Farbengeschäften der französischen Hauptstadt zählt auch die Maison du Pastel in einem Hinterhof im Marais. In allen Regenbogenfarben gibt es die handgefertigte Pastellkreide, für die das »Rezept« von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Jede Farbe gibt es in neun Intensitätsabstufungen, rund 1200 Farbtöne sind es insgesamt, mit so schönen Namen wie Algengrün, Kaiserpurpur, Lipari-Erde, Samtschwarz, Sonnenuntergang.
Graineterie: Dieser Laden ist Kult! Die charmante Fassade der »Samenhandlung« am Marché d’Aligre ist seit den 1950er-Jahren unverändert (mein Foto unten). Nicht nur die Anwohner aus dem Viertel lieben den Spezialisten für »Gartenarbeit und Samen, Nudeln, Reis und Hülsenfrüchte«, Kunden kommen von weither, um Reis aus der Camargue oder Mogette-Bohnen aus der Vendée, Buchweizenmehl oder Walnussöl der Huilerie Leblanc, Samentütchen für Ananas-Tomaten oder Charentais-Melonen zu kaufen.
Herboristerie: Ob Rosenknospen oder Süßholzwurzeln, die 1880 eröffnete Heilkräuter-Apotheke an der Place de Clichy hat’s vorrätig. Die Schubladenschränke und Regale aus dem 19. Jahrhundert enthalten rund 900 Kräuter und Blüten, Tinkturen und Öle, die gegen alle Arten von Beschwerden und Wehwehchen zum Einsatz kommen, von Schlafstörungen bis zu Cellulite. Typisch Paris: der Bestseller ist eine Schlankheitskur auf der Basis von Algen.
Echoppes et ateliers d’antan: Ihren Weg ins Buch fanden auch jahrhundertealte Künstlerateliers und Raritätenkabinette wie der Taxidermie-Spezialist und Präparator Deyrolle mit ausgestopften Tieren, die Académie de la Grande Chaumière und das Musée de Minéralogie. Unter den Manufakturen mit dem Flair vergangener Zeiten und »altehrwürdigen Berufen«, die der Autor vorstellt, sind unter anderem die Posamenterie Verrier, die sich noch auf das fast ausgestorbene Handwerk versteht, Kordeln und Quasten zu fertigen, eine Messingwerkstatt, eine Druckerei – verwunschen wirkende Orte aus dem »Paris d’antan«, dem »Paris von früher, das sich der Kunst und dem traditionellen Kunsthandwerk verschrieb«.
Für das Rezensionsexemplar danke ich dem DuMont Verlag. Merci!
Marin Montagut: Verborgene Schätze in Paris. Die schönsten Traditionsgeschäfte und Manufakturen der Stadt, aus dem Französischen übersetzt von Annika Klapper, DuMont Verlag 2022