AM BEISPIEL DER GABEL: BEE WILSON ÜBER KOCH- UND ESSWERKZEUGE

Sparschäler, Muskatreibe, Backthermometer: Das Buch verspricht eine spannende Reise durch die Kulturgeschichte des Essens. Wir kochen nach Rezepten und können die Qualität von Zutaten beurteilen, haben Lieblingsgerichte, vielleicht auch Freude an hochwertigen Küchenutensilien und edlem Tafelbesteck, wissen aber wenig über die »Hardware« der Esskultur und ihren Einfluss auf die Küchengeschichte. Warum isst man in Asien mit Stäbchen, in manchen arabischen Ländern mit der Hand und in Europa mit Messer, Gabel und Löffel? Warum messen Amerikaner Zutaten in Cups? Bee Wilson geht diesen Fragen in ihrer »Geschichte der Koch- und Esswerkzeuge« auf den Grund und das sehr detailreich und unterhaltsam. In acht Kapiteln, die eine eindrucksvolle Fülle von Themen behandeln, liefert die Autorin eine bunte Auswahl von Aspekten historischer Kochmethoden und Küchenwerkzeuge, Tischsitten und kultureller Unterschiede.

Messer, Mörser, Bratenspieße: Im Kapitel über unterschiedliche Messertypen in Asien und Europa erfahren wir zum Beispiel, wie diese die Zubereitung des Essens und die Tischsitten beeinflusst haben. So erlaubt das einem Küchenbeil ähnelnde chinesische »Tou« mit seiner sehr breiten Schneide feinstes Zerkleinern, was die typisch asiatische Aromenkombination und das Essen mit Stäbchen ermöglicht. Für die französische Haute Cuisine dagegen ist eine Vielzahl von Spezialmessern die Voraussetzung, um all die feinen Julienne-Streifchen und Brunoise-Würfelchen zu schneiden, Austern zu öffnen, Krebsfleisch auszulösen oder Kartoffeln zu »tournieren«. Interessant sind die historischen Abschnitte, in denen Bee Wilson die harte körperliche Arbeit in den Küchen früherer Zeiten beschreibt. Hunde oder Kinder, die über ein Laufrad den Bratenspieß drehten, waren nur eine der vielen Ideen, die im Laufe der Jahrhunderte in Küchen aufkamen. Die Bedingungen waren hart, mit hohen Temperaturen, Ruß- und Rauchentwicklung am offenen Feuer, und zeitaufwendigen Arbeitsschritten, die bis zur industriellen Revolution mühevolle Handarbeit erforderten. Einst manuelle Arbeiten wie das Mahlen und Stampfen von Getreide, Nüssen oder Zucker, das Kneten von Brotteig oder das Aufschlagen von Eiweiß werden heute von modernen Küchenmaschinen in Minutenschnelle erledigt.

Messbecher, Kühlschrank, Eismaschine: An anderen Stellen wirft das Buch mehr Fragen auf, als es beantwortet. Soll ich glauben, dass der Einsatz von Gabeln allmählich unsere Zahnstellung veränderte? War für die chinesische Kochkunst wirklich Brennholzmangel ursächlich, weil er zur Entwicklung des Woks führte? Wie verbreitet war es denn tatsächlich, Zubereitungszeiten in Vaterunser zu messen? Vermutlich hat der Anspruch, gleich eine »Menschheitsgeschichte« zu liefern, dem Buch nur bedingt gut getan, mir hätte ein Streifzug auch gereicht. Auf all die Passagen, in denen die Autorin komplexe Zusammenhänge erklären will, hätte ich verzichten können. Dagegen hatte ich statt der knappen, etwas beliebigen Exkurse zu einzelnen Geräten wie Reiskocher, Wiegemesser, Reiben, Toaster und Eieruhren mehr erwartet – hier macht das Inhaltsverzeichnis »Appetit« auf etwas, was dann eher dünn bleibt.

Mikrowelle, Sous-Vide-Garer, Siphons: Insgesamt liegt der Focus geografisch auf der englischsprachigen Welt (insbesondere Großbritannien und Nordamerika) und die Autorin unternimmt nur Abstecher nach Kontinentaleuropa und Asien. Das ist wohl auch der Quellenlage geschuldet – die umfangreiche Literaturliste zeugt von ausgesprochen fundierter Recherche, doch deutschsprachige oder französische Titel findet man nur punktuell. Fazit: »Am Beispiel der Gabel« ist ein Buch mit schöner Aufmachung und sorgfältiger Gestaltung, das man gerne in die Hand nimmt. Bee Wilsons Vorhaben, sich nicht der Kulturgeschichte der Speisen, sondern stattdessen den bei Zubereitung und Verzehr behilflichen Werkzeugen zu widmen, ist originell, und der charmante Plauderton der Autorin garantiert eine amüsante Lektüre. Allerdings kommt letztlich der Aspekt der Sozialgeschichte zu kurz (wie es Rolf Schwendtner in »Arme Essen Reiche Speisen« oder Gudrun Mangold in »Hunger ist der beste Koch« über »karge Zeiten auf der rauen Alb« thematisieren). Dass Küchen der viktorianischen Zeit unseren heutigen Restaurantküchen ähnelten oder ein Porzellanservice für 12 Personen 140 Einzelteile umfasste, gilt ja nur für eine sehr begüterte Oberschicht. Die große Mehrheit der Bevölkerung besaß wahrscheinlich kaum mehr als einen Suppentopf und einen Holzlöffel.

Geschichte der Koch- und Esswerkzeuge