FRANKREICHS MARKTHALLEN: AVIGNON

Lieblingsort für Genießer: Was wäre Frankreich ohne seine schönen Markthallen und bunten Wochenmärkte? Avignon macht da keine Ausnahme. Meist ist es die saisonale Obst- und Gemüsefülle, die später im Jahr auf den Märkten der Provence und der Côte d’Azur so bunt und appetitlich in den Bann zieht, ob auf dem Cours Saleya in Nizza oder dem Marché Forville in Cannes. Doch so richtig hatte der Frühling Mitte März noch nicht begonnen, als wir mit der Markthalle von Avignon dennoch ein Schlaraffenland der Genüsse betraten. Wo sonst findet man unter einem Dach das ganze üppige Angebot Südfrankreichs, das hier auf kurzem Weg von den Produzenten in die Markthalle gelangt! Beim Kartoffelhändler waren neben vielen anderen Sorten die winzigen Grenaille-Kartoffeln erhältlich, die ich in Deutschland noch nirgendwo gesehen habe (aber auch noch nie den Preis von 24 € für ein Kilogramm). Am Stand der Maison du Fromage verführt eine eindrucksvolle Auswahl an Käsesorten, am nächsten locken unzählige Olivensorten, Öle und weitere regionale Spezialitäten. Mal abgesehen von frischem Fisch, Austern und und anderen bei Feinschmeckern gefragten Meeresfrüchten, Fleisch und Wurstwaren, Brot und Feingebäck, Wein und Schnittblumen steht man hier auch gern für bereits fertig Zubereitetes Schlange. Mit Convenience Food hat das nur gemein, dass auch handwerklich hergestellte Speisen den Aufwand in der eigenen Küche reduzieren – die französischen Traiteure ziehen gern sämtliche Register ihres Könnens. Im Ancien Régime war ein traiteur auf Bankette und Hochzeiten spezialisiert, also im modernen Sprachgebrauch ein Caterer. Ab der Französischen Revolution, ohne ihre adlige Kundschaft, erweiterten sie ihr Angebot auf vorgegarte Mahlzeiten für den Alltag. Das fängt bei Pasteten im Teigmantel und Quiche an, reicht über eine Armada von Salaten und eine unglaubliche Vielfalt an Fertiggerichten, darunter auch Feineres als Brathähnchen oder Lasagne, bis zu Desserts im Glas.

Marktblick: Auf der weitläufigen Place du Pie gibt es nette kleine Cafés, Weinbars und Bistros, von deren Terrassen man bei einem Espresso oder einem Glas Wein auf die vertikal begrünte Fassade schaut – hinter der sich ein Betonbau mit Parkhaus in den Obergeschossen verbirgt. Der schöne gusseiserne Vorläuferbau, der 1899 eingeweiht wurde, ist seit dem Abriss im Jahr 1972 leider Geschichte. In den 1960er- und 1970er-Jahren war motorisierte Mobilität für die Stadtplaner Trumpf. Weil immer mehr Super- und Hypermarchés auf der grünen Wiese entstanden, würde die Markthalle nur konkurrenzfähig bleiben, wenn man mit dem Auto direkt vorfahren konnte, so glaubte man. Und entschied sich für einen Neubau mit integriertem Parkhaus, damit die zunehmend motorisierten Kunden auch weiterhin in die Innenstadt kämen. Eine fatale, aber auch heute noch verbreitete Einschätzung.

Grüne Pflanzenwand: Vier Jahrzehnte später hatten sich die urbanistischen Prioritäten erneut geändert. In Avignon zählt die historische Altstadt seit 1995 zum Unesco-Welterbe, und nun ging es vor allem darum, den großen denkmalgeschützten Bereich intra muros, innerhalb der mächtigen Stadtmauer, zu erhalten und aufzuwerten. Und durch das Verbannen von Autos die Innenstadt wieder lebenswerter zu machen. Als Bestandteil der Maßnahmen beauftragte die Stadt Avignon die Fassadenbegrünung des nüchternen Zweckbaus aus den 1970er-Jahren. Das Bepflanzungskonzept für die 30 x 11,50 Meter große Nordseite entwickelte der Gartenarchitekt Patrick Blanc, der sich in Paris mit seinen »murs végétales« für das Museum am Quai Branly, die Fondation Cartier und ein Luxushotel einen Namen gemacht hatte. In Avignon wachsen im vertikalen Garten etwa 20 Pflanzen pro Quadratmeter, vorwiegend Farne, Moose und Gräser. Bewässert werden sie über ein ausgeklügeltes System, für dessen Technik sich der Biologe ein Patent erteilen ließ.

La Petite Cuisine: Jeden Samstag um 11 Uhr (außer im August) vermitteln Profiköche aus der Region in der offenen Show-Küche der Markthalle ihre Fertigkeiten und Kenntnisse. Die Kochkurse beginnen in der Regel mit einem Rundgang durch die Halle, um die benötigten Zutaten auszuwählen, bevor dann das gemeinsame Kochen beginnt. Eine schöne Möglichkeit, beim betriebsamen Leben der Markthalle nicht nur zuzuschauen, sondern auch daran teilzunehmen.

www.avignon-leshalles.com

Di–Fr 6–13.30, Sa, So bis 14 Uhr

Avignon Markthalle

Avignon Markthalle

Avignon Markthalle

Avignon Markthalle

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