EINKAUFEN IN NIZZA: TRÉSORS PUBLICS

Made in France: Ein Geschirrhandtuch aus naturfarbenem, kräftigem Leinen habe ich mir in Nizza gekauft – das liegt nicht gerade nahe. Olivenöl, Parfüm, Rosé, getrockneter Lavendel, bunt bedruckte provenzalische Baumwollstoffe – all das wäre typischer. Ausgerechnet Leinen? Das Geschirrtuch wurde von der Firma Charvet Edtions hergestellt, seit 1866 »Tisseur de nature« in Nordfrankreich, die Tischdecken, Servietten, Sets, Kochschürzen, Kissenhüllen und Bettwäsche aus dem Naturgarn produziert. Und nicht nur das, selbst der Flachs, der Rohstoff für das Leinen, wächst in Frankreich – vor allem in der Normandie. Ein großer Teil des Rohmaterials für die Weltproduktion wird an der Küste des Ärmelkanals angebaut, vor allem in Belgien und in Frankreich. Zwar machen die Naturfasern nur rund 2 Prozent aus am weltweiten Faseraufkommen, doch für die Leinenproduktion spricht, dass sie im Gegensatz zu Baumwolle nur wenig auf Chemikalieneinsatz wie Dünger und Pesitizide angewiesen ist. In Deutschland ist der Anbau bedeutungslos, in Frankreich dagegen zählt man Leinen zu den genuin französischen Textilien.

Patrimoine vivant: Seit mehr als 100 Jahren hat die Weberei Charvet ihren Sitz im französischen Städtchen Armentières, nahe der Grenze zu Flandern. Die Region Nord-Pas-de-Calais liegt mitten in einem der traditionellen Flachsanbaugebiete Europas. Spezialisiert hat man sich bei Charvet auf die Fertigung von Vollleinen und Halbleinengeweben, auch für die Industrie. Nach wie vor gehören zum Sortiment auch die robusten Leinen- und Baumwollstoffe, aus denen die französischen Blaumänner für Fabrikarbeiter (bleus de travail) und Arbeitskleidung für Fischer (toiles de vareuses) oder Bäcker (toiles de boulangerie) gefertigt werden, sowie Segeltuchstoffe für Persennings, Zelte und wetterfeste Taschen. In Deutschland führt Manufaktum eine kleine Auswahl an Tischdecken, Küchenhandtüchern, Sets und Servietten. Der haptische Stoff hat nicht nur eine schöne Struktur, sondern auch zahlreiche gute Eigenschaften: Leinen kühlt im Sommer, hat eine hohe Luftdurchlässigkeit und Saugfähigkeit, ist sehr reißfest, haltbar, strapazierfähig, mottenbeständig, flusenfrei, schmutzabweisend und neutralisiert Gerüche.

100 % Français: Entdeckt habe ich das Leinentuch in der Altstadt von Nizza in einem wunderbaren Laden. »Trésors français & populaires« steht darauf, und schon die ochsenblutrote Fassade zieht magisch an. Drinnen im Geschäft von Antoine und Nicolas gibt es nur in Frankreich produzierte traditionsreiche Produkte: »Des produits utiles et durables. Des marques emblématiques et historiques. La garantie du petit supplément d’âme et de la grande fabrication française.« Übersetzt heißt das: Vor allem handwerklich, also nicht industriell Gefertigtes für Küche und Bad, Haushalt und Alltag alteingesessener Marken und Manufakturen wird in das Sortiment aufgenommen, eine bunte Mischung vom Radiergummi über Seife aus Marseille, Einmachgläser, Duftkerzen, Bürsten, Schokolade, Kosmetik und Badeschuhe bis zum Notizbuch. Wörtlich übersetzt bedeutet der Name »Trésors Publics« »öffentliche Schätze«, ein Wortspiel mit »Trésor Public« (im Singular ist der französische Fiskus bzw. die Staatskasse oder öffentliche Hand damit gemeint).

11 rue du Pont Vieux, 06300 Nice, https://tresorspublics.com, tgl. 10.30–19.30 Uhr

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