EIN KREATIVCAMPUS IN ARLES: LUMA

Spiegelfassade: Neuen Glanz brachte das Luma nach Arles – im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn. Die mal silbrig schimmernde, mal glitzernd das Licht reflektierende Fassade des 56 Meter hohen Turms überragt die Dächer der niedrigen Häuser in der Nachbarschaft. Entworfen hat den metallenen »Felsen« mit gläserner Rotunde als Sockel der inzwischen fünfundneunzigjährige Amerikaner Frank Gehry, der auch das Gebäude für die Fondation Louis Vuitton in Paris bauen durfte. Wie ein dekonstruktivistischer Leuchtturm markiert der Bau den neuen, von Maja Hoffmann gegründeten Kunstcampus LUMA. Außen verändern die mehr als 11.000 Edelstahl-Elemente die Farbe des Turms je nach Lichteinfall. Eines der Highlights im Inneren ist die Doppelspindel-Treppe, über der der Däne Ólafur Eliasson einen sich drehenden Spiegel installierte, etwas albern wirken dagegen die beiden Rutschen. Den Garten hat der belgische Landschaftsgärtner Bas Smets gestaltet. Rund um einen Teich müssen die rund 500 neu gepflanzten Bäume und Sträucher allerdings noch etwas wachsen. Sie sind landschaftstypisch für Frankreichs mediterranen, unter der Sonne glühenden Süden, etwa Erdbeerbaum (Arbutus unedo), Steineiche (Quercus ilex), Französischer Ahorn (Acer monspessulanum) und Pinie (Pinus pinea). Zuvor gab es hier nur eine Betonplatte, mit dem Landschaftspark erhält Arles erfreulicherweise mehr vom hier eher mangelnden Grün.

Abgehoben? Den Spiegelturm beim Stararchitekten in Auftrag gegeben hat die Filmproduzentin und Kunstsammlerin Maja Hoffmann, die teilweise in Arles aufwuchs. Die Miterbin des Schweizer Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche erwarb hier 2010 eine riesige, 11 Hektar große Industriebrache, die zuvor der französischen Bahn gehörte und schon Mitte der 1980er-Jahre stillgelegt worden war. Etwas ratlos sind wir durch diesen Prestigebau geschlendert, wirklich etwas ausgestellt wurde darin nicht, und ohnehin erscheint uns spektakuläre Statement-Architektur nicht mehr zeitgemäß. Auch in Arles war die Skepsis groß, dürfen private Mäzene mit ihren Milliarden Kulturpolitik für zahlungskräftige Touristen machen?

Denn die kleine südfranzösische Stadt Arles, muss man dazu wissen, ist eine der ärmsten Städte Frankreichs, mit hoher Arbeitslosigkeit. Das Projekt bringt zwar Geld nach Arles (Hoffmann betreibt einige Hotels und Restaurants, etwa etwas außerhalb eine Gemüsegarten-Restaurant mit Stern) und hat Arbeitsplätze geschaffen, treibt aber auch die Gentrifizierung voran und macht die Immobilien zu Spekulationsobjekten. Und das wünscht sich hier wirklich keiner, dass nur noch reiche Pariser ihre Zweitwohnsitze in Arles haben oder Wohnungen in Airbnb-Unterkünfte verwandelt werden. Manch ein Stadtbewohner findet, die Millionen hätten in Arles deutlich sinnvoller ausgegeben werden können…

She really can’t stand the wow factor: Interessanter als der prätentiöse Turm sind die umgenutzten Bahnhallen, Schmiede-, Metallwaren- und Mechanikwerkstätten aus dem 19. Jahrhundert, benannt »Les Forges«, »La Mécanique Générale«, »La Formation« nach ihrer ehemaligen Funktion, die von Annabelle Selldorf gestaltet wurden und in denen Ausstellungen oder Live-Auftritte stattfinden. Ganz im Gegensatz zum Alterswerk von Gehry geht es der New Yorker Architektin mit deutschen Wurzeln um Präzision und nicht um Effekte. Statt eitler Monumente baut sie Gebäude, die sich zugunsten ihrer Funktion zurücknehmen, nicht mit der ausgestellten Kunst konkurrieren.

Material-Pioniere: Weitere Gebäude wurden von anderen Architekten renoviert, die »Grande Halle« von Moatti-Rivière, zuletzt das im Jahr 2023 eröffnete »Magasin Electrique« von Assemble in Zusammenarbeit mit dem belgischen Büro BC Architects & Studies. Assemble ist ein Londoner Kollektiv von Architekten, Designern und Künstlern; bekannt wurde die Gruppe mit Umbauten in Liverpool, hier in Arles experimentierten sie bei der Renovierung mit neuen Materialien, beispielsweise aus Reisstroh oder den Stängeln von Sonnenblumen. Denn im vormaligen »Magasin Électrique« ist das neueste Labor dieses Ablegers der Zürcher Luma-Stiftung untergebracht: Auf 2000 Quadratmetern wird zu neuen ökologischen Baumateralien aus regionalen Rohstoffen und landwirtschaftlichen Abfallprodukten geforscht und die architektonische Eignung von Algenkacheln aus »Bioplastik« oder Wandverkleidungen aus Salzkristallen erprobt. Denn auf dem weitläufigen Gelände entfaltet sich ein kreativer Campus, in dem es nicht nur um Kunst geht: Forscherinnen und Ingenieure, Designer und Soziologinnen arbeiten hier im »Parc des Ateliers«, beschäftigen sich in einer Art Denkfabrik mit Themen wie Ökologie, Demokratie und Menschenrechte.

www.luma.org

Frankreich Arles Luma

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