BREST: DIE SEILBAHN ALS URBANES TRANSPORTMITTEL

Der urbane Nahverkehr geht in die Luft: Mit einem Tramticket für 1,60 € überqueren wir in luftiger Höhe schwebend die Rade de Brest, wohl die originellste Art, die bretonische Hafenstadt kennenzulernen. Die Stadt im Département Finistère ist zweigeteilt, der Fluss Penfeld hat kurz vor seiner Mündung in den Atlantik ein tiefes Tal in die Landschaft geschnitten. Die Uferbereiche tief unten sind Militärgebiet, für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Was einst dem Flottenstützpunkt der Marine zum Vorteil gereichte, die geschützte Lage, wurde dem bedeutendsten Kriegshafen Frankreichs im Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis – die Bombardements durch die Alliierten zerstörten nicht nur Militäranlagen, sondern auch die Stadt. Nur zwei Brücken verbinden die Viertel rechts und links des tiefen Einschnitts: Der Pont de Recouvrance, lange eine der größten Hubbrücken Europas, deren Fahrbahn sich anheben lässt, um auch große Schiffe passieren zu lassen, und der Pont de l’Harteloire weiter nördlich. Die luftige Überquerung des Flusses Penfeld dauert nur wenige Minuten, mit spektakulärem Ausblick auf Hubbrücke, Château, Tour Tanguy und die Werftbecken tief unter der Seilbahn. In fast 80 m Höhe holen wir nur kurz Luft, als die Gondel hinter dem Mittelträger kurz etwas absackt, dann ist die Fahrt schon wieder vorbei. Gut zu sehen: Die Gondeln fahren über-, nicht nebeneinander hin und zurück, was sich im unterschiedlichen Abstand der Tragseile bemerkbar macht.

Zukunft in der Schwebe: Ein Transportmittel für schwieriges Terrain, das schwebend leicht Flüsse, Schluchten und Steilhänge überwindet – weltweit entdecken Stadtplaner die Seilbahn als Alternative zur Untergrundbahn, um das Verkehrschaos in Großstädten einzudämmen. Was in Europa noch eine Seltenheit ist, gehört in Südamerika längst zum Alltag: Seilbahnen, die hoch über den Dächern den Nahverkehr entlasten. In dicht bebauten Metropolen wie Medellin, La Paz und Caracas prägen die bunten Gondeln bereits das Stadtbild. Hierzulande werden Seilbahnen eher mit Bergen, Skifahrern und Wanderern assoziiert, waren Gondeln bislang Gebirgsregionen oder Großereignissen wie Gartenschauen, Weltausstellungen und Olympischen Spielen vorbehalten. Der »Téléphérique« in Brest ist aktuell der Vorreiter in Frankreich – die Stadt entschied sich gegen die teureren Varianten einer weiteren Hubbrücke oder einer Fußgängerbrücke und für die im November 2016 eröffnete Seilbahn. Unweit der zentralen Achse der Stadt, der Rue Siam, auf der auch die Tramlinie verkehrt, verbinden zwei Gondeln, die bis zu 60 Personen befördern können, das Zentrum alle 6 Minuten mit dem Quartier de Recouvrance am anderen Ufer der Penfeld

Ateliers des Capucins: Nach dePanoramablick auf Brest steigen wir iden beeindruckenden Ateliers des Capucins aus. Für 2 Mio. Euro verkaufte die Marine das riesige, denkmalgeschützte Arsenal an die Stadt Brest, das seither renoviert und umgebaut wirdSeit 2017 wird geschraubt, verglast und gemalert, was das Zeug hält, schon eröffnet ist die städtische Mediathek. Im Januar 2019 soll alles fertig sein, Läden und Gastronomie, öffentliche und institutionelle Bereiche ziehen dann ein: eine Kaffeerösterei, eine Weinbar kündigen sich schon mit Schildern an. Wir sind ganz überrascht, dass man einfach überall rumlaufen darf, obwohl viele Bereiche noch Baustelle sind. Ein großartiges, schön restauriertes Industriegebäude aus dem 19. Jahrhundert – von der zentralen Halle, in der noch alte Maschinen stehen, bis zu den Geschossen darüber entsteht hier ein (hoffentlich erfolgreiches) Kulturzentrum.

Nur hin, nicht zurück: Zurück ging es leider nur zu Fuß, der Betrieb des »Téléphérique« war aus technischen Gründen »momentanément interrompue«. Unser Weg führte vorbei am historische»Bâtiment aux Lions« (direkt neben den Ateliers des Capucins und oberhalb der beiden Werftbecken), das ebenfalls renoviert wird. Das zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbaute, denkmalgeschützte Bauwerk, benannt nach den zehn goldenen Löwenköpfen an der Fassade, diente einst zugleich als Brücke und als Speicher für Schiffswerg, Teer und anderen für das Kalfatern der Holzplanken notwendigen MaterialsDas leerstehende Gefängnis oberhalb davon, als Prison de Pontaniou bis 1990 in Betrieb, soll in Luxuswohnungen umgewandelt werden. Trotz vielversprechender Konzepte junger ArchitekturstudentInnen durfte im September 2018 ein Immobilieninvestor das Gebäude erwerben, das zwar weniger aufgrund besonderer Bauweise, aber doch wegen seiner exponierten Lage eine herausragendere Umnutzung verdient gehabt hätte.

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