ORIENTALISCH GENIESSEN: KARAM

Küche des Orients: Wenn man ein Kochbuch übersetzt, kommt man ihm auf andere Art näher als beim Lesen nach dem Kauf oder beim Ausprobieren von Rezepten. Beim Blättern lässt man sich inspirieren, beim Nachkochen lobt oder verflucht man die Praxistauglichkeit der Rezepte. Bei mir spielt dagegen Genauigkeit beim Nachkochen von Rezepten keine Rolle – wo mir Mengen, Garzeiten oder Zutaten »spanisch« vorkommen, passe ich sie einfach intuitiv meiner Erfahrung an. Beim Übersetzen fallen andere Dinge auf – eher Wiederholungen, Schwerpunkte, Leerstellen. So ist es der Autorin etwa wichtig zu zeigen, dass sich Gerichte, die wir heute eher zufällig libanesisch, türkisch oder syrisch nennen, über Ländergrenzen hinweg verbreiteten. Zur Esskultur gehören Aneignung, Verbreitung und Vermischung mit anderen Küchen und Kulturen. Neue Handelswege und Völkerwanderungen, Eroberungen und Invasionen veränderten Rezepte und Gerichte. So kommt es, dass sich im Buch vielfältige Verweise finden auf Zusammenhänge und Unterschiede zwischen den Küchen der Levante, Nordafrikas und am Persischen Golf.

Gemeinsam genießen: Den Schwerpunkt setzt »Karam«, das zweite Kochbuch von Bethany Kehdy, das im August im Sieveking Verlag erschienen ist, auf die festlich gedeckte Tafel und die orientalische Gastfreundschaft. Schon 2008 startete die libanesisch-amerikanische Foodjournalistin ihren Blog mit den Rezepten der orientalischen Küche, zu einem Zeitpunkt, als Zatar und Labneh noch für Irritation in Zutatenlisten sorgten. Ihr erstes Buch kenne ich leider nicht, in Karam, dem zweiten, geht es um Gastfreundschaft, und der Autorin ist sehr daran gelegen, die Kultur der Mezze und Festgerichte einzuordnen und vorzustellen.

Mezze und mehr: Mit rund einem Dutzend Kochbüchern zur Orientküche war ich schon gut ausgestattet – und auch erprobt, denn nicht erst, seit die Küche der Levante zum »Foodtrend« ausgerufen wurde, ziehe ich aus ihrem Rezeptschatz einen Teil meines Kochrepertoires. Mich interessieren daher eher die Rezepte im Buch als historische Herleitungen, und da gibt es einiges zu entdecken. Obwohl ich auch den 512-Seiten-Klotz von Salma Hage zur libanesischen Küche besitze, der mir eigentlich nicht mehr zu toppen schien. Beispielsweise Labneh: In beiden Büchern wird erklärt, dass man dafür nur Joghurt abtropfen lassen muss, bei Bethany Kehdy gibt’s aber auch Tipps zum Verfeinern mit Lavendelpfeffer oder Datteln, Minze und Pistazien. Außer den selbst gemachten Gewürz- und Salzmischungen werde ich die Zhug-Salsa (Seite 77), die Mutabal- und Hummus-Rezepte (Seite 156–165, 172–180) und die Winter-Tabouleh (Seite 168) zuerst ausprobieren – von mit Wild gefüllten Möhren (Seite 212) sehe ich vorerst wegen des Aufwands eher ab, aber wer solche Rezepte mag, die viel hermachen, wird hier auch fündig. Für die Fotos sorgte Nassima Rothacker, für gute Druckqualität und angenehmes Papier der Sieveking Verlag, die Lizenz für das Original erteilte Hardie Grant. Auch wer wie ich schon mehrere Orient-Kochbücher besitzt, wird hier zahlreiche neue Rezepte entdecken können!