MIT SLOW FOOD ZU BESUCH BEI SCHAF UND ZIEGE

Lämmchen zählen: Am ersten Märzwochenende trafen sich Interessierte zu einem Besuch im Schafstall von Sabine Krüger in Magstadt. Angemeldet hatte ich mich, um zu erfahren, warum eine Frau sich für den Beruf der Schäferin entscheidet und was so alles dazugehört. Von Schafen und Ziegen hatte ich allerdings angenommen, dass sie gleich alles liefern, Wolle, Milch und Fleisch. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Punkt – nicht jede Rasse eignet sich gleichermaßen, um in die Käserei einzusteigen oder um wirtschaftlich Wolle zu produzieren. Erste Überraschung: Sabine Krüger und ihr Mann haben sich auf die Landschaftspflege spezialisiert – sie brauchen also standfeste, robuste Schafe und Ziegen, die auch am steilen Hang zurechtkommen. Ausgesprochene »Fleischschafe« stehen daher nicht im Krüger-Stall, also Züchtungen speziell für die Lammfleischvermarktung, ebenso wenig Merinoschafe, die hochwertige Wolle liefern. Stattdessen lernen wir Walliser Schwarznasen und Dorperschafe kennen, auf deren Wolle sich die Schafscherer erstmal einstellen müssen (die Schur wird extern beauftragt), außerdem Schwarzhalsziegen und Burenziegen. Und ihren Nachwuchs, jede Menge hüpfende oder wackelige, neugierige Lämmchen und Zicklein. Organisiert wurde der Ausflug von Irene Katzendorfer-Braun aus dem Stuttgarter Slow Food Convivium. Sie hatte uns vorgewarnt, uns warm anzuziehen, doch das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, und so konnten wir am Ende in geselliger Runde draußen vor dem Stall sitzen und die von Gabi Kiss zubereiteten Köstlichkeiten genießen.

Landschaftspflege im Heckengäu: Von April bis November ist Sabine Krüger mit ihren Tieren auf ökologisch wertvollen Flächen unterwegs und sichert so schützenswerte Biotope und Artenvielfalt. Ihre vierbeinigen Landschaftspfleger beweiden Naturschutzareale im näheren Umkreis von 10 Kilometern, darunter auch kleinste Flächen. Angefangen hat sie ursprünglich mit drei Ziegen, inzwischen umfasst ihre Herde rund 200 Muttertiere. Schafe eignen sich zur Pflege auch von unebenem oder steilem Gelände, und selbst für Flächen mit geringstem Futterertrag. Von den »ökologischen Rasenmähern« werden etwa Wacholderheiden mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Insekten oder Streuobstwiesen gepflegt – sie würden sonst verbuschen und zuwuchern. Für Sabine Krüger hat von Anfang an der Naturschutzgedanke den Ausschlag gegeben und sie ist Schäferin aus Leidenschaft, doch eine Bilderbuchidylle – mit friedlichen grasenden Tieren in schöner Landschaft unterwegs – ist ihr Alltag nicht. Täglich ist ein enormer Arbeitseinsatz gefordert, und das bei äußerst bei geringer Entlohnung. Zwar wird der Einsatz der Schafe finanziell von den Naturschutzbehörden gefördert, doch für kleine Flächen ist der Aufwand für Transport, Versicherung, Fahrzeug, Zäune usw. genau so hoch wie für große Areale – gezahlt wird aber nach Hektar. Seit Jahren geht die Zahl der Schafe und deren Halter zurück, eben weil es sich nicht lohnt. Hat das Schaf als Nutztier ausgedient?

Ein Beruf für Idealisten: Schafe sind nachhaltiger, umweltfreundlicher und kostengünstiger als Maschinen, und ihr Einsatz zum Erhalt wichtiger Kulturlandschaften ist eigentlich unverzichtbar. Um wirtschaftlich zu arbeiten braucht man allerdings eine Zahl von 600 Tieren oder mehr, sonst übersteigen die Kosten für Scheren, Schlachten, Futter und anderen Aufwand den Erlös. Kaum ein anderer Zweig der Landwirtschaft ist so vom Aussterben bedroht wie die Schäferei. Auch der »Schafreport« des Landes Baden-Württemberg kommt zu einem ernüchternden Ergebnis und spricht von »unbefriedigendem Einkommen« und »enorm hohen und immerwährendem Einsatz der ganzen Familie«. Unter solch schwierigen Bedingungen müssen Sabine und Karlheinz Krüger vor allem einfallsreich sein, um sich ihren Beruf weiterhin »leisten« zu können: Sie machen mit bei der vom Landkreis geförderten Aktion »Gläserne Produktion«, mit der in Baden-Württemberg nachhaltiges Handeln in der regionalen Landwirtschaft sichtbar gemacht werden soll. Sie laden Gäste zu Ziegenwanderungen im Herbst und Frühjahr, die so beim »Almauftrieb« und »Almabtrieb« dabei sein können, und zeigen ihren Hof regelmäßig im September am Tag der offenen Tür (dieses Jahr am 24. Sept. 2017). Die Krügers verarbeiten Schafwolle zu Wolldünger und bieten auf dem Sindelfinger Wochenmarkt von März bis Weihnachten immer samstags ihre Produkte in der Direktvermarktung an. Auch wenn Fleisch an zweiter Stelle steht nach der Landschaftspflege, einen Teil tragen Lamm- und Kitzfleisch, Würstchen und Schinken zum Einkommen bei (die ortsnahe Schlachtung übernimmt ein Metzger aus der direkten Nachbarschaft).

Mehr Schafe braucht das Land: Historisch spielte die Schafhaltung vor allem auf der Schwäbischen Alb und deren Vorland sowie im Nordschwarzwald und den benachbarten Gäugebieten eine beachtliche Rolle. Laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg und dem Ministerium für den ländlichen Raum gab es im Jahr 2010 immerhin noch 2921 Schafhalter im Land – das hört sich viel an, doch sind darunter nur etwa 180 hauptberufliche Schäfer zu finden, der große Rest betreibt die Schafhaltung im Nebenerwerb. Baden-Württemberg ist zwar ein traditionelles Schäferland: Mit rund 248.650 Schafen, davon ca. 170.500 Mutterschafen steht das Bundesland nach Bayern an zweiter Stelle in Deutschland. Allerdings verteilen sich drei Viertel des Schafbestandes auf lediglich 15 Prozent der Betriebe – immer weniger Schäfer halten immer größere Herden. Sie erzielen ihre Einnahmen fast ausschließlich aus dem Verkauf von Lammfleisch sowie aus den staatlichen Förderprogrammen. Leider fehlt auch dadurch die Vielfalt: Die vorherrschende Schafrasse in Baden-Württemberg ist das Merinolandschaf. Rund 90 Prozent aller Tiere gehören dieser Rasse an – weil aber nach der Wolle kaum Nachfrage besteht, ist die Rede hier meist von Fleisch-Merinoschafen. Dass manche alten Nutztierrassen vom Aussterben bedroht sind, liegt auch am Interesse der Massenzüchter an pflegeleichten, schnell wachsenden und fleischreichen Arten.

 

Sabine und Karlheinz Krüger, 71120 Grafenau

http://www.krueger-land.de

 

Weitere Infos unter:

http://gläserne-produktion.de

http://www.slowfood.de

Magstadt3