SALATKLASSIKER DER LEVANTE: FATTOUSH

Essen verbindet: Die kontroverse Diskussion um kulturelle Aneignung scheint selbst vor der Küche keinen Halt zu machen – dabei haben doch gerade die Kochkunst und Kulinaria völkerverbindende Wirkung. Vor einiger Zeit hat der international bekannte britische Fernsehkoch Jamie Oliver eigens einen Experten für »cultural appropriation« eingestellt, weil ihm vorgeworfen wurde, mit widerrechtlich angeeigneten Rezepten in seinen Bestseller-Kochbüchern Geld zu verdienen. Da stellen sich viele Fragen: Muss nun auch Essen politisch korrekt sein? Gibt es Originalrezepte für indisches Curry oder neapolitanische Pizza überhaupt? Wer hat die Deutungshoheit, welches Rezept »authentisch« ist? Lebt nicht Kultur von Austausch? Sich für die Essgewohnheiten und Kochstile anderer Kulturen zu interessieren, kann eine Aneignung auf Augenhöhe sein, etwa wenn in der französischen Hochküche ausgebildete Köche in Japan »in die Lehre« gehen. Als respektlos dagegen gilt, »Originale« einer Minderheit zu übernehmen, um damit Geld zu verdienen, ohne sich tatsächlich für ihre Kultur zu interessieren. Dafür ist die Kochkunst aber ein denkbar ungeeignetes Beispiel, da sie ohne Handel, Aneignung, Reisen und Migration gar nicht denkbar ist. Ich fände es traurig und sinnlos, wenn sich Köchinnen und Köche auf ihre Herkunftskultur beschränken müssten – zu sagen, woher die Inspiration kommt, und Respekt sind aber sehr berechtigte Forderungen.

 

1 rote Zwiebel • 2 Mini-Gurken • 10 Kirschtomaten oder Mini-Romatomaten

1 rote Spitzpaprika • 3 Frühlingszwiebeln • 1 Knoblauchzehe

3 EL Zitronensaft • 6 EL Olivenöl • Salz • Pfeffer

1 Bund glatte Petersilie • 1 Bund Minze • 2 Romana-Salatherzen

1 Pita- oder Fladenbrot • 1 EL Sumach

 

Und so geht’s: Die Zwiebel schälen und fein würfeln. Die Gurken nur streifenweise schälen und würfeln. Die Tomaten vom Stielansatz befreien und halbieren oder vierteln. Die Paprika von den Stielansätzen, Scheidewänden und Kernen befreien und würfeln. Die Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Die Knoblauchzehe schälen und fein hacken. In einer Salatschüssel alle gewürfelten Zutaten sowie den Knoblauch mit dem Zitronensaft und der Hälfte des Öls vermischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Die Petersilien- und die Minzeblättchen abzupfen und grob hacken. Die Salatherzen in mundgerechte Stücke zupfen. Das Fladenbrot würfeln, in einer Pfanne die restliche Hälfte des Öls erhitzen und die Brotstücke darin goldbraun rösten. Die Kräuter und die Brotwürfel unter den Salat heben, mit dem Sumach bestreuen und servieren.

 

Küche der Levante: Machen wir die Probe in meinem knapp ein Dutzend »Orient«-Kochbücher. Auch dieser Begriff wird inzwischen kritisiert, weil damit mindestens zehn verschiedene Kulturen und Küchen gemeint sind und er per se schon die Perspektive von außen enthält. Und Hashtags wie #leavehummusalone unterstellen, die kulinarische »Neuentdeckung« sei der Gentrifizierung vergleichbar und mit einem »kolonialen Gestus« verbunden. Das lässt ratlos, weil sich selbst im Nahen Osten niemand einig ist, wer die »Erfindung« des Kichererbsenpürees für sich reklamieren darf. Oder die des Brotsalats Fattoush, den Syrien, Libanon, Jordanien und Iran für sich beanspruchen, zubereitet wird er aber auch in Marokko oder der Türkei, und ist verwandt mit dem griechischen Bauernsalat wie dem italienischen Panzanella. Für Fattoush, in dem knusprige geröstete Fladenbrotstücke die Rolle von Croûtons übernehmen, spielen jedoch Sumach und Minze eine entscheidende Rolle.

Die Rezepte: Um mit dem inkriminierten Jamie Oliver zu beginnen, im »Veggies«-Kochbuch macht er aus Fattoush einen Hack-Salat und verwendet Pitabrot, Granatapfel, Sumach, Olivenöl, Zitronensaft, Granatapfelsirup, Paprikaschoten, Fenchel, Gurke, Tomaten, Frühlingszwiebeln, Römersalat, Minze, Dill, Petersilie. Plus Tipp, die Granatapfelkerne, falls nicht erhältlich, durch Mango zu ersetzen… Fürchterliche Vorstellung, ansonsten ist das Rezept guter Durchschnitt und erhebt auch nicht den Anspruch, ein Original zu sein. Sabrina Ghayour, mit dem Heimvorteil iranischer Wurzeln und eines entsprechenden Namens, führt zusätzlich Radieschen bei den Zutaten auf, aber keinerlei Granatapfel, Fenchel oder Dill. Von Salma Hage habe ich zwei Kochbücher. Die Rezepte in »Die libanesische Küche« und »Orient köstlich vegetarisch« kommen ebenfalls ohne Fenchel, Dill, Granatapfel aus. Silwena Rowe und Claudia Roden verzichten gleich ganz auf das »Rezept«. In »Türkei vegetarisch« betonen die Autoren Orkide und Orhan Tançgil, dass das Rezept die türkische Version sei, die nahe der syrischen Grenze gegessen werde. Unterschied zu den Rezepten von Salma Hage und Sabrina Ghayour: Gewürz ist Zatar statt Sumach, keine Paprikaschoten.

Fattoush Salat