KOCHBUCHTIPP: JUNGES GEMÜSE
Coffetable oder Küche? Die Bildbände und Bücher aus dem Gestalten Verlag sehe ich eigentlich eher in der Lifestyle-Ecke als unter Ratgebern mit Praxistauglichkeit. Doch das Kochbuch mit dem zeitgeistig aufgepeppten Titel »Junges Gemüse« hat dann doch erfreulich viel Substanz. Die einfachen, überwiegend vegetarischen Rezepte kommen ohne Fertigprodukte aus und für die meisten braucht man kein ausgefallenes Equipment oder spezielles Know-how.
Mehr Grünzeug auf dem Teller: 800 Rezepte, wie sie das Cover verspricht, bringt man natürlich nur dann auf 180 Buchseiten unter, wenn man auf Detailliertes verzichtet – auf exakte Mengen- und Zeitangaben ebenso wie bei den Zutatenlisten und Kochanleitungen. Also nichts für Kochanfänger, doch als Ideensammlung genau das Richtige für etwas erfahrenere Hobbyköche und -köchinnen, die ihr Repertoire an Gemüserezepten vergrößern möchten. Der Großteil der Anregungen ist vegetarisch, doch die Autorinnen Anette Dieng und Ingela Persson kochen wie ich – immer ist das Gemüse die Hauptzutat, ab und zu ein bisschen Speck oder Parmaschinken darfs sein.
Von Blatt- zum Wurzelgemüse: Das Buch ist nach Gemüsesorten geordnet, also nutzt man es am besten, wenn man eine spontan gekaufte saisonale Sorte vom Wochenmarkt heimbringt, sie in der Biokiste findet oder mal wieder Lust auf etwas hat, Brokkoli oder Bohnen, Wirsing oder Artischocken. Auf allgemeine Informationen zum jeweiligen Gemüse folgen mal neun (Knoblauch), mal bis zu 38 Rezepttipps (Kartoffeln), im Durchschnitt 12–20. Darin bestehen denn auch die Stärke und die Schwäche des Buchs: Die meines Erachtens mit dem Buch erreichte Zielgruppe braucht vermutlich eher Ideen für die seltener verwendeten Gemüse wie Palmkohl, Steckrüben oder Artischocken als für Tomaten oder Kartoffeln.
Minus: Eine »Schnelle Tomatensauce«, Bruschetta, Tomatensuppe und Ofentomaten können da nur als Erinnerungsstütze gelten, und dass von 20 Tipps sechs ausgerechnet mit Dill aromatisiert werden, befremdet dann doch – oder besser gesagt: da merkt man, dass man eine Übersetzung aus dem Schwedischen in der Hand hat. Gleiches gilt für die Kartoffelrezepte, neun Mal Dill, einige Standards unter den Anregungen. Zwar gehört zum Prinzip, die verschiedenen Zubereitungsarten zu berücksichtigen und die Klassiker zu integrieren (Tzatziki bei Gurke, gegrillter Mais, gegrillter Spargel, Waldorfsalat bei Knollensellerie, Kartoffelpuffer), doch beim Würzen wäre ja mehr möglich als nur zu schreiben »roh, um Salat aufzupeppen« (Chicorée), »Wirsing eignet sich hervorragend zum Woken« oder »kochen und schälen« (Ackerbohnen). 600 oder 700 Rezepte hätten es ja auch getan… Und es nervt etwas, dass die Übersetzerin immer von gelben Zwiebeln spricht, obwohl die normalen Haushaltszwiebeln in Deutschland so nur bezeichnet werden, wenn in einer Warenkunde explizit auch von roten und weißen Zwiebeln die Rede ist.
Und plus: Für die Erweiterung des Kochrepertoires sind andere Gemüsesorten ergiebiger, vielversprechend hören sich etwa die Vorschläge an, aus rohem Wirsing, Spinat und Frühlingszwiebeln einen Salat zuzubereiten, Knollensellerie zu grillen und mit Kräuterbutter zu servieren, Grünkohl mit Knoblauch und Chili zu braten oder bei einer Lasagne eine Schicht Nudelplatten durch gebratene Auberginenscheiben zu ersetzen. Insgesamt erinnern die Autorinnen vor allem daran, ein Gemüse nicht immer nur zu grillen, das andere nicht immer nur zu kochen und wiederum anderes auch mal roh zu essen …