PARIS WIRD GRÜN
Paris wird autofrei: Diese neue Nachricht zeigt, wie ernsthaft die Stadtregierung unter Anne Hidalgo der Luftverschmutzung den Kampf angesagt hat und sich um Klimaschutz und Nachhaltigkeit bemüht. Seit 2014 ist die Bürgermeisterin im Amt, und mit »eiserner Hand« hat Madame la Maire ein neues Mobilitätskonzept politisch vorangebracht. Schon seit 2014 gilt das Tempolimit von 70 km/h auf der Stadtautobahn, seit 2021 in der Innenstadt fast überall 30 km/h. Der öffentliche Raum wird neu verteilt, Parkraum umgewidmet: 70.000 Stellplätze sollen noch bis zur nächsten Bürgermeisterwahl verschwinden. Das Parken in der Innenstadt ist schon länger extrem teuer – sechs Stunden kosten 75 €. Ebenfalls seit mehreren Jahren sind einige Viertel sonntags für Autos gesperrt, nun soll der Verkehr ab 2024 gänzlich aus den inneren Arrondissements verbannt werden – insgesamt 5,6 Quadratkilometer am rechten und linken Seine-Ufer, das sind 7 Prozent der Stadtfläche. Ab 2024 dürfen keine Dieselfahrzeuge mehr in die Metropole fahren, ab 2030 keine Benziner mehr, gegenwärtig können ältere Fahrzeuge schon nicht mehr in Paris unterwegs sein (Diesel mit Erstzulassung vor 2011, Benziner vor 2006).
Paris fährt Rad: Neue Tramlinien, Fahrrad-Rikschas, Elektro-TukTuks und Öko-Taxis, die günstigen Leihräder des Vélib-Systems – aus den vielen Schritten soll sich ein großes Ganzes ergeben. So gibt es für Einwohner beispielsweise Zuschüsse beim Kauf eines Fahrrads. Zusätzlich zu den bereits fertiggestellten 1000 Kilometern an Radwegenetz sieht der »Plan Vélo« weitere 450 Kilometer bis 2026 vor. Fußgänger und Radfahrer erhalten Vorrang vor den motorisierten Verkehrsteilnehmern – so werden gerade alle großen Plätze (Place de la République, Place de la Bastille, Place de la Concorde…) fußgängerfreundlich umgestaltet. Das Métronetz wird ebenfalls erweitert, mehr als 60 neue U-Bahnhöfe verbinden die Vorstadtviertel mit der Innenstadt und untereinander.
Paris pflanzt Grün: Zuerst wurden die beiden Seine-Ufer gegen erheblichen Widerstand zu Spazierwegen gestaltet. Wo früher halbe Autobahnen am Fluss entlangführten, gibt es nun kleine Gärten als schwimmende Inseln, Fitnesstrail, Kletterwand und 100-Meter-Bahn, Spielplätze und nette Lokale auf Lastkähnen (lesberges.paris.fr). Nicht nur die Einwohner freuen sich über Quartiersgärten mit Gemüsebeeten, auch die Paris-Besucher profitieren vom vielerorts neu angelegten Grün – von vertikalen Gärten bis zu neu für die Allgemeinheit geöffneten Hinterhofgärten. Schon lange gibt es die Promenade Plantée, Vorbild für den New Yorker High Line Park, der ebenfalls auf einer alten Bahntrasse gepflanzt wurde. Nun wird die Petite Ceinture begrünt, der stillgelegte Eisenbahnring um Paris, und an vielen Stellen entstehen mit begrünten »Squares«, wie sie in Paris Tradition haben, weitere bepflanzte Flächen. Im Kampf gegen Hitzeinseln sollen auf den repräsentativen Vorplätzen vor dem Hôtel de Ville, der Gare de Lyon und Sehenswürdigkeiten wie der Garnier-Oper »urbane Wälder« wachsen. Eine Vielzahl neuer Bäume wurde bereits gepflanzt, weitere 170.000 sollen es bis 2026 sein. Und auch die Champs-Elysées sollen sich von einer vielspurigen Verkehrsachse in einen Park verwandeln. Man könnte meinen, Paris beherzige die Forderung von Stefano Mancuso, »jede geeignete Oberfläche des Planeten mit Pflanzen zu bedecken«, so radikal scheint das Ziel, dass im Jahr 2030 immerhin 50 Prozent der Stadtfläche begrünt sein sollen.
Paris neu erfinden: Offenheit gegenüber Wandel, das hätte man vor einigen Jahren nicht gerade mit Paris assoziiert. Doch die französische Hauptstadt bewegt sich. So hatte Anne Hidalgo schon 2014 zum Ideenwettbewerb »Réinventer Paris« aufgerufen. Für viele stillgelegte Flächen, selbst die sogenannten »Geisterbahnhöfe« der Métro, gilt es, neue Projekte zu entwickeln, denn insbesondere bei den Aspekten Wohnraum, städtische Verdichtung und Durchmischung sowie Energie und Nachhaltigkeit sei es höchste Zeit, der Metropole der Zukunft ihre Form zu geben. Das beginnt beim Müllkonzept »Zéro Waste«, Recyclingangeboten und öffentlichen Kompostanlagen und reicht bis zum »Urban Farming« – so entstand auf den Dächern von Messegebäuden der größte städtische »Bauernhof« der Welt. Ein Vorteil des lokalen Anbaus von Gemüse und Obst in der Stadt ist es, dass so Transportwege und damit CO2-Emissionen eingespart werden.
Die 15-Minuten-Stadt: Unter Hidalgos Führung soll Paris wieder eine Stadt für die Menschen werden, und die ökologische Entwicklung will sie mit sozialen Projekten verbinden. Gefragt ist vor allem bezahlbarer Wohnraum, doch ihr Konzept der »15-Minuten-Stadt« geht weiter: Alles, was man zum Leben braucht, soll man innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß, auf dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. Der ehemalige Staatspräsident Georges Pompidou hatte in den 1960er-Jahren gefordert, man müsse »die Stadt dem Auto anpassen«. Das will Paris nun in sein Gegenteil verkehren und europaweit vormachen, wie innovative Stadtplanung gelingt. Zeit, sich ein Beispiel zu nehmen, und ähnlich konsequent umzudenken, ist es ja: Städte nehmen 2 Prozent des Territoriums auf der Erde ein, verbrauchen aber weltweit fast 80 Prozent der Energie und produzieren 60 Prozent der CO2-Emissionen.