SAINT-GEORGES D’OLÉRON

GASTBEITRAG VON DR. CHRISTOPH FISCHER: Südwärts an der französischen Atlantikküste. Nächste Station nach der großartigen Ile de Noirmoutier ist die Ile d’Oléron. Deutlich größer als erwartet, und auf dem Weg über die Insel, wenn die Zubringerbrücke hinter einem liegt, finden sich in Richtung Ziel, erster Eindruck, vor allem monströs große Supermärkte am Rande der kleinen Dörfer. Ich hasse Supermärkte. Nicht nur im Urlaub.

Unser Ziel ist Saint-Georges d’Oléron. Und das ist ein Dorf, wie ich es mir vorstelle. Das war schon am ersten Abend, spätestens aber am nächsten Morgen klar. Beim Einkaufen. Als wir schon dachten, wir müssten einen dieser verhassten Supermärkte aufsuchen.

Brauchen wir aber nicht, wir haben alles am Ort. Neben dem Friseur ist der Bäcker, die Croissants sind ein Gedicht, erst in Frankreich stellt man fest, dass in Deutschland den meisten Bäckern trotz aller Professionalität irgendwie die letzte Perfektion fehlt, für Croissants zumindest. Und ein Zeitungsladen schräg gegenüber – für uns als passionierte Leser höchst erfreulich, obwohl wir für eine Zeitung auch die fünf Kilometer in den benachbarten Hauptort der Insel radeln würden.

Im Zentrum des langgezogenen Dorfplatzes steht die Kirche, ein denkmalgeschütztes romanisches Gemäuer im Stil der Saintonge, über die Jahrhunderte mehrfach zerstört, immer wieder aufgebaut, mit einem beeindruckenden, durch die salzhaltige Luft allerdings stark verwittertem Westportal und einer Sonnenuhr. Schön ist diese Kirche, in der täglich ein begabter Mensch auf der Orgel übt. Und schöne Fenster hat sie, auch wenn wir nicht herausfinden konnten, von wann und wem sie stammen, doch sie beeindrucken durch ihre moderne Gestaltung und Motive wie einen Anker. Auf einer Seefahrer-Insel. Sehr einleuchtend.

Vor der Kirche gibt es eine offene Markthalle, das mittelalterliche Gebälk mit Blumen geschmückt. Morgens stellt eine freundliche Bäuerin ihre Bohnen, Tomaten, Landgurken, Lauchzwiebeln, Aprikosen und Pfirsiche in Körben auf die fest installierten Tische, völlig ausreichend, damit abends etwas Vernünftiges auf den Tisch kommen kann. Der andere Landwirt aus der Gegend kommt nur alle zwei Tage, an einem macht er Heu für sein Vieh, sagt er, am anderen bietet er sein selbst angebautes Gemüse an, Obst, frischen Salat, Kräuter, was braucht der Mensch eigentlich mehr? Die (zwangsläufige?) Folge: In Saint-Georges d’Oléron macht das Einkaufen sogar Supermarkthassern Spaß.

Einen Supermarkt gibt es auch, aber einen kleinen, gerade mal doppelt so groß wie früher ein Tante-Emma-Laden. Der beweist, dass es gar keine Super-Hyper-Monster braucht, mit 138 Sorten Joghurt und 25 Buttermarken. Nur Annie trafen wir nicht an, die Räucher-Expertin, die vor Ort in ihrem »Fumoir« über Buchenholz Lachs in handwerklicher Qualität räuchert – im Urlaub, wie wir.

Wunderschön, dieses Dorf, das war uns eigentlich schon am ersten Abend klar, als wir bei einem der beiden Dorfwirte unser erstes Inselbier getrunken haben. Saint-Georges d’Oléron, das alles bietet, was man braucht, und das so anders ist als die anderen Dörfer der Insel. Auch ohne Annie.

 

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