PARISER PASSAGEN: PASSAGE DU CAIRE

Wohnzimmer für Flaneure: Die meisten der berühmten, einst weit über 100 Pariser Passagen entstanden zwischen 1820 und 1850. Die glasüberdachten, von Läden gesäumten und künstlich beleuchteten Passagen verdanken sich der damals neuen Konstruktionsweise mit Eisenträgern und Glas, wie sie auch bei Bahnhöfen und Ausstellungshallen wie dem Grand Palais eingesetzt wurde, dank derer auch ganze »Straßen« mit Glas überdacht werden konnten. Viele gerieten in Vergessenheit, verfielen und wurden abgerissen, einige wenige von Denkmalschützern gerettet. So beispielsweise die Passage des Panoramas, ebenfalls im 2. Arrondissement gelegen. Doch nach wie vor dämmern auch einige unrenovierte Passagen vor sich hin. Zu den kaum von Touristen besuchten, unscheinbaren Exemplaren gehört die Passage du Caire im 2. Arrondissement. Bei meinem letzten Besuch war sie Baustelle, die schöne Glasüberdachung durch eine Holzdecke abgehängt. Ich fürchtete schon, einen Nachruf schreiben zu müssen, doch die Sorge erwies sich als voreilig: Die Passage wird von der Groupe Futura, die in anderthalb Jahren aufwendigster Restaurierung auch das Glasdach der Passage Choiseul erneuerte und ihr damit neues Leben einhauchte, komplett renoviert.

Prêt-à-Porter: Die Passage du Caire ist nicht nur die älteste und mit 360 Metern längste, sondern mit nur 2,70 Meter Breite auch die schmalste von Paris. Elegant wie die Galerie Vivienne oder monumental wie Mailänder Galerie Vittorio Emanuele II. war sie ohnehin nie, sondern eine betriebsame Produktionsstätte mitten im Sentier, dem Pariser Stadtviertel, in dem traditionell kleine Betriebe der Textilindustrie und Grossisten beheimatet waren (und teils noch sind), die in den Hinterhöfen Konfektionskleidung und Accessoires fertigten. Früher waren vor allem Druckereien und Lithographen in der Passage ansässig, heute ist sie das Reich der Schaufensterdekorateure. Im Angebot sind Kleiderständer, Schaufensterpuppen, Deko- und Verpackungsmaterial – eine ganz eigene Welt. Ob das so bleibt, wenn die Passage in neuem Glanz erstrahlt, bleibt abzuwarten.

Ägypten an der Seine: Im Jahr 1798 erbaut ist die nach der Stadt Kairo benannte Passage die älteste noch existierende in der französischen Hauptstadt; sie entstand an der Stelle eines ehemaligen Klosters, bekannt als Filles-Dieu. Ihren ungewöhnlichen Namen verdankt sie – wie die angrenzenden Straßen Rue du Caire, Rue du Nil, Rue d’Aboukir und Rue d’Alexandrie – dem Äpypten-Feldzug Napoleons im selben Jahr, der zunächst siegreich begann. Nach der Einnahme von Alexandria hatten die französischen Soldaten das osmanisch-ägyptische Heer am 7. Thermidor des Jahres VI (im Juli 1798) in der Schlacht bei den Pyramiden in die Flucht geschlagen und Kairo erobert. Einer anderen »Ägyptomanie« geschuldet sind dagegen die drei Bildnisse der Göttin Hathor mit Kuhohren und die »Hieroglyphen«, die die Fassade über dem Eingang zur Passage an der Place du Caire schmücken. Der Bildhauer Gabriel Joseph Garraud schuf sie 1828, in Anlehnung an den Dendera-Tempel: Trotz des militärischen Desasters in Ägypten hielt sich die Orient-Mode – die Reisebeschreibung von Dominique-Vivant Denon, der Napoleon begleitet hatte und erster Direktor des Louvre wurde, und die Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion entfachten das Interesse für die Ägyptologie. Altägyptische Motive trifft man auch anderswo im Pariser Stadtbild, auf Friedhöfen und Plätzen, in Parks und an Fassaden sind Pyramiden, Obelisken, Sphinxköpfe, Löwen, Götter und Pharaonen zu entdecken.

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